Freitag, 25. Juli 2014
Progressive Leak meinerseits
hariolor, 21:14h
Ich hatte mich für eine Aufnahme in die progressive Plattform der Piratenpartei beworben. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet aufgenommen zu werden - und so kam es dann auch. Das ist völlig ok. Ich muss da nicht mitspielen und ich bin wegen der Ablehnung auch nicht traurig oder böse. Das ist nicht der Grund, das hier zu schreiben.
Im Grunde sehe ich die #pplattform tatsächlich als einen möglichen Schutzraum. Die Kommunikation innerhalb der Partei auf Twitter und MLs ist im letzten halben Jahr ziemlich weit eskaliert. Die Beziehungsebene, Emotionen, persönliche Befindlichkeiten spielten eine größere Rolle als das, was tatsächlich gesagt wurde. Eine extrem Linke oder auch ein als bürgerlich Verschriehener hätten wahrscheinlich "1 + 1 = 2" schreiben können und es wäre negativ ausgelegt worden. Beide Seiten schenken sich da nichts, auch wenn es vielleicht nur 5% der Leser sind, die stets reingrätschen und noch mal 5%, die aus dem Kontext gerissene Aussagen interpretieren. Die 140-Zeichen-Grenze auf Twitter lädt ja geradezu dazu ein.
Ein Raum, in dem man innerhalb der eigenen Gruppe störungsfrei kommunizieren kann, kann dabei - in meinen Augen - durchaus hilfreich sein. Meine Vorstellung war, dass sich eine politische Strömung in einem Raum trifft, um konstruktiv eigene Vorstellungen zu entwickeln, die sie anschließend in die Partei tragen kann. Dabei ist für mich völlig unerheblich, wer genau an der Formulierung dieser Positionen beteiligt ist. Diese Diskussion "Extremist" hin oder her sollte aufhören. Das war meine Hoffnung und meine Erwartung an die #pplattform.
Nachdem aber nun das Aufnahmepad der #pplattform [0] geleakt ist, fühlte ich mich gedrängt, dazu ein paar Gedanken zu äußern.
Zwei Gründe werden dort relativ häufig als Begründung für ein Veto genannt. Den einen fasse ich mal mit "schlechten Umgangsformen" zusammen. Das trifft Menschen, die sich online verbal-aggressiv geäußert haben oder schlicht nicht besonders teamfähig sind - zumindest scheint das aus den Veto-Begründungen hervorzugehen. Da ich diese Menschen nicht alle kenne, kann ich das nur in Einzelfällen beurteilen. Und da scheint es oft zutreffend, so ungern die Betroffenen das auch hören mögen. Ganz ehrlich: Wenn ich eine geschlossene Diskussionsplattform ins Leben riefe, dann würde ich auch versuchen, Menschen außen vor zu halten, von denen ich erwarte, dass sie meine Arbeit stören. Das hat einfach etwas damit zu tun, arbeitsfähig zu bleiben. Es ist eine geschlossene Gruppe, die sich durchaus aussuchen darf, mit wem sie zusammenarbeiten möchte und mit wem nicht. Man mag die Geschlossenheit an sich kritisieren (durchaus piratig). Aber aus Sicht der #pplattform gibt es meiner Meinung nach legitime Gründe, sich abzuschotten.
Dass dabei häufig persönliche Befindlichkeiten eine Rolle spielen, ist menschlich - in der gezeigten Form aber trotzdem äußerst unglücklich. Denn das ist genau der "Nasenfaktor", dieses "Ich kann sie/ihn nicht leiden, weil..." , das doch eigentlich gar keine Rolle spielen sollte. Dass der Aufnahmeprozess, so wie er gestaltet (und dann geleakt) wurde, das gefühlte und teilweise auch kommunizierte "Wir sind besser" ad absurdum führt, war für mich keine Überraschung. Ich kann nur hoffen, dass die #pplattform daraus ihre Lehren zieht und zumindest versucht, einen Aufnahmeprozess zu implementieren, der so weit als möglich objektiv ist.
Der zweite häufig genannte Grund ist allerdings interessanter. Es ist auch der, der mich zu diesem Blogpost bewegt: "XYZ ist nicht progressiv". Das reichte - wenn ich das geleakte Pad lese - oft als Begründung und wurde auch nicht weiter hinterfragt.
Da stellt sich mir zunächst einmal die Frage: Was ist progressiv?
Dazu sagt die Wikipedia:
"Progressivismus (engl. progress von lat. progressio, onis, f.: Fortschritt) bezeichnet eine politische Philosophie, die auf dem Gedanken des Fortschritts in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, wirtschaftliche Entwicklung und Organisation aufgebaut ist. Den Ursprung nahm der Progressivismus in der Ära der Aufklärung, dass man durch Entwicklungen Fortschritt in den Bereichen der Zivilisation erreichen könne."[1].
Ok. Das nimmt Bezug auf das 18. Jahrhundert und dürfte somit nur sehr eingeschränkt relevant sein. Was also ist progressiv innerhalb der Piratenpartei?
Was ich - auch von progressiven Piraten - so höre: weite Teile unseres Parteiprogramms. Toll! Worum streiten wir uns eigentlich? Wenn man genauer nachfragt, hört man - je nachdem, wen man fragt - unterschiedlichste Definitionen.
Aufgrund meines Werdegangs (seit Anfang des Jahrtausends Mitglied des CCC und natürlich auch dadurch geprägt) waren mir die "Kernthemen" immer schon wichtig. In diesen Themen kenne ich mich auch einigermaßen gut aus und halte regelmäßig Vorträge - auch außerhalb der Piratenschaft. Möglicherweise gelte ich deswegen - so die Vetogründe - nicht als progressiv. Mmh. Schade. Ich dachte ja immer, ich sei einigermaßen fortschrittlich.
Ich habe mal versucht, das Label "progressiv" zu durchdenken und kam auf folgende Themen:
Antifaschismus:
Ich beteilige mich in Chemnitz an Naziblockaden. ich arbeite in der Orga von "Bündnis Nazifrei" mit. Wir (als KV) stellen dem Bündnis Piratenmaterial zur Verfügung. Wir (als
KV) beteiligen uns an Anti-Rassismus-Demos.
Feminismus:
Natürlich trete ich dafür ein, dass Frauen dieselben Rechte und Chancen haben wie Männer. Das Extremste, was man gegen mich sagen mag: Ich mag gegenderte Sprache nicht. Ich toleriere sie, aber ich verwende sie nicht selbst. Weil ich an ihre Wirksamkeit nicht glaube. Als selbst Schreibender.
Queer/Gender:
Ich war aktiv am CSD beteiligt. Der KV Chemnitz (mit mir als Vorsitzendem) hat gerade einen Raum seiner Geschäftsstelle an den LSVD abgetreten.
Online-Abstimmungen:
Ich war zwar nie besonders aktiv im LF, aber immerhin aktiv. Außerdem habe ich mir persönlich auf die Fahnen geschrieben, die SMV in Sachsen zumindest technisch lauffähig zu kriegen. Daran arbeite ich gerade.
Wenn das nicht ausreicht, mich als "progressiv" zu akzeptieren, dann halt nicht.
Ja, ich unterstütze Sekor. Er war die einzige für mich wählbare Person als 1V auf dem aBPT. Dazu stehe ich. Ich habe das auch begründet und mit Einzelnen hitzige Diskussionen darüber geführt. Wenn das das Ausschlusskriterium ist: Ja, ist dann halt so.
Ja, ich war am Orgastreik beteiligt. Meine Stellungnahme dazu könnt ihr in meinem Blog lesen [2]. Ich habe das allerdings in der Folgezeit mit vielen Leuten diskutiert und bin mir der Kritik sehr wohl bewusst. Aus heutiger Sicht würde ich es so nicht noch einmal machen.
Viele Grüße,
Mark
[0] http://pastebin.com/raw.php?i=42a2tyhs
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Progressivismus
[2] http://hariolor.blogger.de/stories/2377743/
Im Grunde sehe ich die #pplattform tatsächlich als einen möglichen Schutzraum. Die Kommunikation innerhalb der Partei auf Twitter und MLs ist im letzten halben Jahr ziemlich weit eskaliert. Die Beziehungsebene, Emotionen, persönliche Befindlichkeiten spielten eine größere Rolle als das, was tatsächlich gesagt wurde. Eine extrem Linke oder auch ein als bürgerlich Verschriehener hätten wahrscheinlich "1 + 1 = 2" schreiben können und es wäre negativ ausgelegt worden. Beide Seiten schenken sich da nichts, auch wenn es vielleicht nur 5% der Leser sind, die stets reingrätschen und noch mal 5%, die aus dem Kontext gerissene Aussagen interpretieren. Die 140-Zeichen-Grenze auf Twitter lädt ja geradezu dazu ein.
Ein Raum, in dem man innerhalb der eigenen Gruppe störungsfrei kommunizieren kann, kann dabei - in meinen Augen - durchaus hilfreich sein. Meine Vorstellung war, dass sich eine politische Strömung in einem Raum trifft, um konstruktiv eigene Vorstellungen zu entwickeln, die sie anschließend in die Partei tragen kann. Dabei ist für mich völlig unerheblich, wer genau an der Formulierung dieser Positionen beteiligt ist. Diese Diskussion "Extremist" hin oder her sollte aufhören. Das war meine Hoffnung und meine Erwartung an die #pplattform.
Nachdem aber nun das Aufnahmepad der #pplattform [0] geleakt ist, fühlte ich mich gedrängt, dazu ein paar Gedanken zu äußern.
Zwei Gründe werden dort relativ häufig als Begründung für ein Veto genannt. Den einen fasse ich mal mit "schlechten Umgangsformen" zusammen. Das trifft Menschen, die sich online verbal-aggressiv geäußert haben oder schlicht nicht besonders teamfähig sind - zumindest scheint das aus den Veto-Begründungen hervorzugehen. Da ich diese Menschen nicht alle kenne, kann ich das nur in Einzelfällen beurteilen. Und da scheint es oft zutreffend, so ungern die Betroffenen das auch hören mögen. Ganz ehrlich: Wenn ich eine geschlossene Diskussionsplattform ins Leben riefe, dann würde ich auch versuchen, Menschen außen vor zu halten, von denen ich erwarte, dass sie meine Arbeit stören. Das hat einfach etwas damit zu tun, arbeitsfähig zu bleiben. Es ist eine geschlossene Gruppe, die sich durchaus aussuchen darf, mit wem sie zusammenarbeiten möchte und mit wem nicht. Man mag die Geschlossenheit an sich kritisieren (durchaus piratig). Aber aus Sicht der #pplattform gibt es meiner Meinung nach legitime Gründe, sich abzuschotten.
Dass dabei häufig persönliche Befindlichkeiten eine Rolle spielen, ist menschlich - in der gezeigten Form aber trotzdem äußerst unglücklich. Denn das ist genau der "Nasenfaktor", dieses "Ich kann sie/ihn nicht leiden, weil..." , das doch eigentlich gar keine Rolle spielen sollte. Dass der Aufnahmeprozess, so wie er gestaltet (und dann geleakt) wurde, das gefühlte und teilweise auch kommunizierte "Wir sind besser" ad absurdum führt, war für mich keine Überraschung. Ich kann nur hoffen, dass die #pplattform daraus ihre Lehren zieht und zumindest versucht, einen Aufnahmeprozess zu implementieren, der so weit als möglich objektiv ist.
Der zweite häufig genannte Grund ist allerdings interessanter. Es ist auch der, der mich zu diesem Blogpost bewegt: "XYZ ist nicht progressiv". Das reichte - wenn ich das geleakte Pad lese - oft als Begründung und wurde auch nicht weiter hinterfragt.
Da stellt sich mir zunächst einmal die Frage: Was ist progressiv?
Dazu sagt die Wikipedia:
"Progressivismus (engl. progress von lat. progressio, onis, f.: Fortschritt) bezeichnet eine politische Philosophie, die auf dem Gedanken des Fortschritts in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, wirtschaftliche Entwicklung und Organisation aufgebaut ist. Den Ursprung nahm der Progressivismus in der Ära der Aufklärung, dass man durch Entwicklungen Fortschritt in den Bereichen der Zivilisation erreichen könne."[1].
Ok. Das nimmt Bezug auf das 18. Jahrhundert und dürfte somit nur sehr eingeschränkt relevant sein. Was also ist progressiv innerhalb der Piratenpartei?
Was ich - auch von progressiven Piraten - so höre: weite Teile unseres Parteiprogramms. Toll! Worum streiten wir uns eigentlich? Wenn man genauer nachfragt, hört man - je nachdem, wen man fragt - unterschiedlichste Definitionen.
Aufgrund meines Werdegangs (seit Anfang des Jahrtausends Mitglied des CCC und natürlich auch dadurch geprägt) waren mir die "Kernthemen" immer schon wichtig. In diesen Themen kenne ich mich auch einigermaßen gut aus und halte regelmäßig Vorträge - auch außerhalb der Piratenschaft. Möglicherweise gelte ich deswegen - so die Vetogründe - nicht als progressiv. Mmh. Schade. Ich dachte ja immer, ich sei einigermaßen fortschrittlich.
Ich habe mal versucht, das Label "progressiv" zu durchdenken und kam auf folgende Themen:
- Antifaschismus
- Feminismus
- Queer/Gender
- Online-Abstimmungen (Liquid / SMV)
- Gesellschaftliche Teilhabe / Reform des Sozialsystems (BGE)
Antifaschismus:
Ich beteilige mich in Chemnitz an Naziblockaden. ich arbeite in der Orga von "Bündnis Nazifrei" mit. Wir (als KV) stellen dem Bündnis Piratenmaterial zur Verfügung. Wir (als
KV) beteiligen uns an Anti-Rassismus-Demos.
Feminismus:
Natürlich trete ich dafür ein, dass Frauen dieselben Rechte und Chancen haben wie Männer. Das Extremste, was man gegen mich sagen mag: Ich mag gegenderte Sprache nicht. Ich toleriere sie, aber ich verwende sie nicht selbst. Weil ich an ihre Wirksamkeit nicht glaube. Als selbst Schreibender.
Queer/Gender:
Ich war aktiv am CSD beteiligt. Der KV Chemnitz (mit mir als Vorsitzendem) hat gerade einen Raum seiner Geschäftsstelle an den LSVD abgetreten.
Online-Abstimmungen:
Ich war zwar nie besonders aktiv im LF, aber immerhin aktiv. Außerdem habe ich mir persönlich auf die Fahnen geschrieben, die SMV in Sachsen zumindest technisch lauffähig zu kriegen. Daran arbeite ich gerade.
Wenn das nicht ausreicht, mich als "progressiv" zu akzeptieren, dann halt nicht.
Ja, ich unterstütze Sekor. Er war die einzige für mich wählbare Person als 1V auf dem aBPT. Dazu stehe ich. Ich habe das auch begründet und mit Einzelnen hitzige Diskussionen darüber geführt. Wenn das das Ausschlusskriterium ist: Ja, ist dann halt so.
Ja, ich war am Orgastreik beteiligt. Meine Stellungnahme dazu könnt ihr in meinem Blog lesen [2]. Ich habe das allerdings in der Folgezeit mit vielen Leuten diskutiert und bin mir der Kritik sehr wohl bewusst. Aus heutiger Sicht würde ich es so nicht noch einmal machen.
Viele Grüße,
Mark
[0] http://pastebin.com/raw.php?i=42a2tyhs
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Progressivismus
[2] http://hariolor.blogger.de/stories/2377743/
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Freitag, 27. Juni 2014
Das Geschäft des politischen Gegners
chriszwickler, 02:22h
Es ist noch nicht allzu lange her, da durfte sich die Piratenpartei angesichts zweistelliger Zustimmungsquoten Hoffnungen machen, auch in der Wählergunst den dritten Platz unter den deutschen Parteien zu erreichen. Neben den Themen, die andere Parteien schlicht verschlafen hatten, sprach die Menschen auch das unkonventionelle Auftreten der Piraten an, das mit nur wenig verbohrter Ideologie kam und von viel Sympathie begleitet wurde. Natürlich hat das vielen in den etablierten Parteien überhaupt nicht gepaßt. Auf die von der Piratenpartei mit guten Gründen besetzten Themen stürzten sich mehr schlecht als recht auch andere Parteien.
Dennoch wäre es aus Sicht der etablierten Parteien natürlich der Königsweg gewesen, wenn sie sich mit den von den Piraten besetzten Themen nicht auseinandersetzen müßten. Voraussetzung wäre freilich gewesen, daß der Attraktivitätsbonus der neuen Partei in ein Malus mutieren würde. Denn die politische Auseinandersetzung besteht eben nicht nur in der Auseinandersetzung um die eigentliche Politik. Es geht vielmehr auch um die Fähigkeit, sich selbst in der Öffentlichkeit gut und den Gegner schlecht darzustellen. Damit verdienen heute ganze Wirtschaftszweige richtig viel Geld. Es ist ein Geschäft, den anderen, den Konkurrenten schlecht aussehen zu lassen, um damit selbst zumindest relativ gut zu erscheinen. Das gilt auch für die Politik, hier für die Wettbewerber der Piratenpartei. Es ist das Geschäft des politischen Gegners, die Piratenpartei schlecht aussehen zu lassen.
Dieses Geschäft des politischen Gegners wird in der Piratenpartei von einigen gern selbst erledigt - mitunter angefeuert etwa von parteifremden Bloggern. Die Auseinandersetzung gilt nicht mehr der Politik, die eigentlich der Grund dafür war, sich politisch zu engagieren. Sie gilt vielmehr dem innerparteilichen Benehmen und einigen als falsch vermuteten Positionen. Zwar wird es regelmäßig als positiv konnotiert, wenn die Aufmerksamkeit nicht sich selbst, sondern dem Mitmenschen zufällt. Hier geht es jedoch zumeist darum, sich mehr den falsch gewählten Worten des Mitmenschen in tadelnder Weise anzunehmen, als die eigene Ausdrucksweise auch einmal mit einer kritischen Distanz zu beleuchten. Das Verhalten erinnert an Eltern, die ihre Kinder mit Prügel zur Gewaltlosigkeit erziehen möchten.
Daraus ergeben sich zwei Botschaften: Die eine ist, daß dieses Verhalten einiger weniger auf die gefühlte Politikfähigkeit nicht nur der ganzen Partei, sondern auch auf deren Mitglieder abfärbt. Wer wählt schon eine Partei, die zwar möglicherweise die richtigen Themen besetzt, die aber noch nicht einmal in der Lage ist, das eigene Haus in Ordnung zu bringen? Die andere damit einhergehende Botschaft ist eine eher unterbewußt wahrgenommene: Wenn es sich “die Piraten” schon leisten können, einen Großteil ihrer Energie dafür zu verwenden, um sich wegen unglücklicher Wortwahl, gekränkten Eitelkeiten und vielleicht auch einmal unsauber justierten politischen Positionen zu erregen, wie belanglos müssen dann die Themen sein, welche die Piratenpartei auf ihrer politischen Agenda vor sich her trägt? Wer es sich leisten kann, trotz dringenden Handlungsbedarfes in der Politik Stürme in Wassergläsern anzufachen, der relativiert und diskreditiert damit auch die von den Piraten besetzten politischen Themen.
Strategien
Natürlich ist es dem politisch denkenden Menschen oftmals eigen, mit seiner Meinung auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Das macht das Wesen der westlich geprägten Vorstellung von Politik erst aus. Es ist gut und wichtig, eigene Auffassungen kundtun zu dürfen. Dazu bekennen sich alle Parteien, die auf dem Boden unserer Verfassung stehen.
Es ist zwar ein Unterschied, ob innerhalb dieser Meinungsfreiheit auch tatsächlich “lediglich” Meinungen insbesondere zur Politik verbreitet werden oder ob diese Freiheit auch dazu genutzt wird, andere unangemessen herabzuwürdigen. Das wäre sicherlich nicht im Sinne der Erfinder dieser Freiheit und wird von ihr genau genommen auch nicht gedeckt. Allerdings ist der Übergang von einer “qualifizierten” Bekundung der eigenen Meinung zur verächtlich machenden Aussage mit unterstellendem oder gar beleidigendem Charakter fließend. Und das ist sicherlich der Kern eines Problems, das nicht erst besteht, seit die Piratenpartei die Politik betreten hat.
Neben vielen weiteren Lösungsansätzen können sicherlich zwei Archetypen benannt werden, um diesem Problem zu begegnen: Eine Möglichkeit besteht darin, innerhalb eines Systems, hier einer politischen Partei, offene oder verdeckte Hierarchien zu installieren. Darin ist jedes Mitglied dieser Gemeinschaft zumindest informell verortet. Daraus ergeben sich Kompetenzen, die es ermöglichen, bestimmte Dinge überhaupt erst zu äußern und wenn ja, in welcher Form dies geschehen darf. Wer sich nicht daran hält, kann in dieser Hierarchie selbst nicht aufsteigen - Palastrevolutionen sind nach wie vor die große Ausnahme auch in der Politik - und wird daher eben kein Sprachrohr seines Systems, weswegen alle, also auch unangemessene Äußerungen diesem System kaum Schaden zufügen können. All dies scheint zwar auf den ersten Blick recht komplex zu sein. Diese Mechanismen existieren jedoch und die Außendarstellungen vieler Parteien belegen, daß diese trotz tatsächlich oft sehr großer innerparteilicher Differenzen im Sinne und zu Gunsten der öffentlichen Wahrnehmung funktionieren. Der notwendige Preis, der für diese äußerliche Ruhe gezahlt wird, besteht dabei in einer partiellen Aufgabe der eigenen Autonomie und nicht selten in Hinterhältigkeiten und latentem innerparteilichem Mißtrauen. Denn unter dem großen Mantel der Einigkeit gibt es selbstverständlich auch Kriege. Sie werden allerdings verdeckt geführt, weswegen oft niemand wissen kann, wer nun gerade wieder einmal was ausheckt oder sich mit wem verbündet etc.. Sehr zweifelhaft erscheint es jedoch, ob dieser Archetyp auch ausgerechnet in einer Partei installiert werden könnte, deren Selbstverständnis sich gerade daraus speist, daß dem Menschen unveräußerliche Freiheiten zustehen, die eben auch keiner Hierarchie geopfert werden dürften.
Ein anderer Archetyp, um den fließenden Übergang von Ausübung der Meinungsfreiheit und unangemessener persönlicher Herabwürdigung einzufangen, besteht darin, das der Selbstbestimmung immanente Spiegelbild der Selbstverantwortung auch zu leben. Dies ist sicherlich der Weg, der am meisten piratiges Selbstverständnis spiegelt und den auch viele in der Partei tatsächlich beschreiten: Jeder paßt zunächst einmal auf sich selbst auf. Leider scheint dieser Weg aber nicht immer die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu finden. Denn selbst wenn er von 99 Mitgliedern beschritten wird, fällt die Aufmerksamkeit dennoch oft dem einen zu, das den lauten und vor allem unangemessenen Pfad beschreitet. Mitunter wird behauptet, daß sich Mitglieder anderer Parteien auch öffentlich noch viel übler gegenseitig angehen würden, so sie denn gelassen würden. Diese Vermutung ergebe sich jedenfalls dann, wenn Gespräche im kleinen Kreis Wahrheiten aufzeigten.
Nach allem ist der zweitgenannte Archetyp sicher ein Modell, das dem Charakter und der Mitgliedschaft der Piratenpartei am nächsten kommt. Da es vermutlich nicht vollständig funktionieren würde, dürften Elemente des erstgenannten Archetyps eine sinnvolle Ergänzung darstellen: Diejenigen, die den Unterschied zwischen freier Meinungsäußerung und persönlich herabwürdigender Schmähung nicht verinnerlicht haben und leben, sollten zwar als Menschen völlig gleichberechtigt Anerkennung finden, schon weil sich dahinter mitunter auch defizitäre Persönlichkeitsentwicklungen verbergen. Es sollte aber auch zum Ausdruck kommen, daß solche unangemessenen Äußerungen kein Mittel des politischen Diskurses sein können, weswegen ihnen nicht mit Ernst begegnet werden dürfte. Dies müßte dann konsequenterweise unabhängig davon gelten, welchem inhaltlichen Ziel eine Aussage ursprünglich diente. Relevant wäre allein, welcher Form sich die oder der Aussagende bedient.
“Kurs der Partei”
Wie beschrieben liegt im Reiz der menschlichen Freiheit, Meinungen äußern zu dürfen, zugleich das Risiko der Übersteuerung. Zu diesem Manko kommen in allen Systemen, die aus mehr als einem Menschen bestehen, naturgemäß noch inhaltliche Differenzen hinzu. Je schlechter die Kommunikation inhaltlich im Ergebnis funktioniert, um so größer erscheinen diese Differenzen. Höhepunkte eines Kommunikationsmangels sind die Betonungen von unterschiedlichen Betrachtungsweisen, nicht von Gemeinsamkeiten. Wären etwa in der CDU vor sechzig Jahren stets die Unterschiede zwischen Protestanten und Katholiken zelebriert worden, so gäbe es diese Partei heute nicht mehr. Als zu unterschiedlich wurden damals die Positionen empfunden, welche die Konfessionen selbst noch im Bereich der Politik trennten. Die Fähigkeiten zur Kompromißbildung und zur Betonung gemeinsamer Werte galten als Schlüsselvoraussetzungen, um überhaupt erst die Möglichkeiten zu erlangen, genau diese Gemeinsamkeiten auch politisch mit Leben zu füllen.
Äußerungen wie etwa die, eine “Penisliste” nicht unterstützen zu wollen oder “#keinHandschlag” sind Ausdruck der Betonung von Unterschieden in der Partei. Sie stellen nicht das Gemeinsame heraus, weswegen eine Mitgliedschaft in aller Regel erst aufgenommen wurde. Ein solches Verhalten zeugt davon, nicht die Frage gestellt zu haben, was denn die Alternative zur als unerwünscht empfundenen Ausrichtung der Partei wäre - nämlich das sicherlich noch weniger erwünschte Erstarken der politischen Konkurrenz -, sondern die eigene Position kompromißlos zum alleinigen Maßstab erheben zu wollen. Würde dieses Vorgehen wiederum zum Maßstab, so könnte es bald mehrere tausend Parteien geben, die sich dann alle nur aus ehemaligen Mitgliedern der Piratenpartei speisen würden. Jede dieser Parteien für sich wäre aber schon arg klein.
Der sogenannte “Kurs der Partei” und die vermeintliche Gesinnung anderer Mitglieder wird von manchen gern in den Status einer Religion erhoben. Dabei wird übersehen, daß die Partei bereits einen “Kurs” hat. Wer sich damit identifiziert, ist in der Partei sicher gern gesehen. Wer sich damit nicht anfreunden möchte, wird vermutlich nicht gezwungen, der Piratenpartei treu zu bleiben. Wer allerdings der Auffassung ist, diesen “Kurs” allein mit Leben füllen zu dürfen und ihn weiter zu definieren, dem sei empfohlen, zuvor demokratische Voten einzuholen.
Wer wahrhafte Gegner des Faschismus jeder Ausprägung als “Nazis” bezeichnet, weil er die Deutungshoheit über die Methoden des Kampfes beansprucht, dem geht es schon gar nicht um den von allen getragenen “Kurs”, sondern allenfalls um ein Randthema, das nicht im Zentrum der Partei steht. Wer eine engagierte, aber mitunter ungeschickt auftretende Berliner Politikerin als “linksextrem” bezeichnet, weil sie in der Asylpolitik bestimmte höchst menschliche Ansätze vertritt, der verkennt, daß sich diese Positionen in ein vorgefertigtes Schema nicht einordnen lassen, schon weil etwa die katholische Kirche ganz ähnliche Vorstellungen hat.
Es dürften auch keine wirklich nachvollziehbaren Belege dafür bekannt sein, daß einzelne Gruppierungen innerhalb der Partei nachhaltig und über manch emotional verfaßten Kurzkommentar hinaus ernsthaft das Selbstverständnis der Partei in Frage stellen. Dennoch werden gern Verschwörungstheorien zelebriert, die unterstellen, daß es gezielte Bestrebungen gebe, das gemeinsame Fundament der Partei in Frage zu stellen. Mut und Angstfreiheit wurden der Piratenpartei einst nachgesagt. Etwas weniger Angst wäre auch an dieser Stelle sicher angezeigt.
Ehrenämter
Viele Mitglieder engagieren sich in der Partei ehrenamtlich. Manche Ortsverbände etablierter Großparteien träumen nur davon, auf solche Kraftfutterreservoirs zurückgreifen zu können. Finanzielles Minus wird in der Piratenpartei durch persönliches Plus kompensiert. Da ist es ganz menschlich, wenn manche “ihre” Partei auch in “ihrer” Art und Weise ausgeprägt sehen möchten, was oft wie ein “Lohn” für das Engagement gesehen wird. Das gilt natürlich wiederum für jeden, der sich unentgeltlich einbringt, mithin auch für die, die unterschiedliche Vorstellungen von der Partei haben. Auch hier ist es wieder das alte Spiel: Wird das Glas halb voll oder halb leer gesehen? Ist der andere ein Mitkämpfer um die gemeinsame Sache oder ein innerparteilicher Konkurrent, wenn es um die beste Ausrichtung der Partei geht? Konsens müßte aber zumindest sein, dem anderen nicht von vornherein “Bösartigkeit” zu unterstellen und zumindest das anzuerkennen, was im Sinne der Grundsätze der Partei geleistet wird.
Vorstand
In diesem Spannungsfeld erscheint es fast unmöglich, als Vorstand erfolgreich zu agieren. Zu groß und vor allem zu unterschiedlich besetzt sind die Erwartungen von lauten Teilen der Basis. Sie orientieren sich heute leider häufig nur noch an Details etwa hinsichtlich einer bestimmten Ausrichtung oder am als unpassend empfundenen persönlichem Auftreten. Das Augenmerk gilt nicht mehr wie in den Anfangstagen der Partei der zentralen Erwägung, warum die Parteimitgliedschaft überhaupt besteht. Die Mängel der großen Politik, die erst die Ursache für die Parteigründung waren, werden mitunter völlig ausgeblendet. Wer im Fernbleiben von Vorstandsmitgliedern an Treffen einen Austrittsgrund sucht, der muß sich fragen lassen, weshalb er der Partei eigentlich beigetreten war.
Selbstverständlich handelte die ansonsten gut und souverän agierende Versammlungsleitung in Bochum falsch, als sie Unmutsbekundungen wegen des Aufhängens einer parteifremden Fahne rhetorisch damit abtat, es könne ja ein Antrag auf Entfernung gestellt werden. Denn schon der gesunde Menschenverstand hätte es geboten, zunächst den Antrag stellen zu lassen, ob der Parteitag überhaupt zur Bühne parteifremder Symbolik werden sollte. Zu dieser Zeit war der Bundesvorsitzende nach seiner Eröffnungsrede übrigens schon nicht mehr anwesend, da seine Frau just da plötzlich schwer erkrankt war und ins Krankenhaus eingeliefert wurde, weshalb er sich auch um das Kleinkind kümmerte.
Doch was wurde aus diesem Vorgang gemacht? Einer Staatsaffäre gleich wurde dem Vorstand vorgeworfen, die Partei verraten zu haben. Das erfolgte mitunter von Mitgliedern, die ansonsten peinlich genau darauf bestehen, daß Parteitage im Prinzip keinen Vorstand, sondern allein eine Versammlungsleitung kennen. Und welcher Kritiker hat denn damals beispielsweise den zeitgleich erschienenen und viel beachteten Artikel des Bundesvorsitzenden im Handelsblatt zur Bestellung der neuen Bundesdatenschutzbeauftragten zur Kenntnis genommen, mit dem er die Piratenpartei auf hohem Niveau in der Öffentlichkeit repräsentierte?
Während die freie Welt Anfang 2014 dank Snowden schon anders gesehen wurde als noch Anfang 2013 ging es in der Piratenpartei regelmäßig vor allem um die Frage, ob der Zeitpunkt der Distanzierung des Bundesvorstandes von einer zwar nicht verbotenen, aber dennoch wahrhaft unangemessenen Aktion einer Kandidatin für das Europaparlament nicht zu spät gekommen war. Ohne den Blick auf die echte Politik zu werfen wurde überdies darüber gestritten, ob ein Vorstand bei politischer Distanzierung dennoch menschliche Solidarität bekunden dürfe, die übrigens in der Heimat der Übeltäterin selbst der politische Gegner gewährte. Und statt sich schließlich in der Partei mit der deutschen Gerichtsbarkeit zu beschäftigen, soweit es etwa um die politische Bestellung von Verfassungsrichtern und weisungsgebundenen Staatsanwälten geht, möchten einige lieber die deutsche Gerichtsbarkeit mit der Frage beschäftigen, wo und wann genau ein Parteitag stattfinden sollte.
Fazit
Angesichts solcher Vorgänge dürfte es keinem Vorstand gelingen, zur überwiegenden Zufriedenheit der Basis zu arbeiten. Es ist nur zu gut verständlich, wenn sich viele gute Leute, die der Partei auch neuen Schwung vermitteln würden, gegen diese Form der Mitarbeit entscheiden. Um so mehr Anerkennung sollten die finden, die sich trotz aller Widrigkeiten zur Verfügung stellen.
Dennoch wäre es aus Sicht der etablierten Parteien natürlich der Königsweg gewesen, wenn sie sich mit den von den Piraten besetzten Themen nicht auseinandersetzen müßten. Voraussetzung wäre freilich gewesen, daß der Attraktivitätsbonus der neuen Partei in ein Malus mutieren würde. Denn die politische Auseinandersetzung besteht eben nicht nur in der Auseinandersetzung um die eigentliche Politik. Es geht vielmehr auch um die Fähigkeit, sich selbst in der Öffentlichkeit gut und den Gegner schlecht darzustellen. Damit verdienen heute ganze Wirtschaftszweige richtig viel Geld. Es ist ein Geschäft, den anderen, den Konkurrenten schlecht aussehen zu lassen, um damit selbst zumindest relativ gut zu erscheinen. Das gilt auch für die Politik, hier für die Wettbewerber der Piratenpartei. Es ist das Geschäft des politischen Gegners, die Piratenpartei schlecht aussehen zu lassen.
Dieses Geschäft des politischen Gegners wird in der Piratenpartei von einigen gern selbst erledigt - mitunter angefeuert etwa von parteifremden Bloggern. Die Auseinandersetzung gilt nicht mehr der Politik, die eigentlich der Grund dafür war, sich politisch zu engagieren. Sie gilt vielmehr dem innerparteilichen Benehmen und einigen als falsch vermuteten Positionen. Zwar wird es regelmäßig als positiv konnotiert, wenn die Aufmerksamkeit nicht sich selbst, sondern dem Mitmenschen zufällt. Hier geht es jedoch zumeist darum, sich mehr den falsch gewählten Worten des Mitmenschen in tadelnder Weise anzunehmen, als die eigene Ausdrucksweise auch einmal mit einer kritischen Distanz zu beleuchten. Das Verhalten erinnert an Eltern, die ihre Kinder mit Prügel zur Gewaltlosigkeit erziehen möchten.
Daraus ergeben sich zwei Botschaften: Die eine ist, daß dieses Verhalten einiger weniger auf die gefühlte Politikfähigkeit nicht nur der ganzen Partei, sondern auch auf deren Mitglieder abfärbt. Wer wählt schon eine Partei, die zwar möglicherweise die richtigen Themen besetzt, die aber noch nicht einmal in der Lage ist, das eigene Haus in Ordnung zu bringen? Die andere damit einhergehende Botschaft ist eine eher unterbewußt wahrgenommene: Wenn es sich “die Piraten” schon leisten können, einen Großteil ihrer Energie dafür zu verwenden, um sich wegen unglücklicher Wortwahl, gekränkten Eitelkeiten und vielleicht auch einmal unsauber justierten politischen Positionen zu erregen, wie belanglos müssen dann die Themen sein, welche die Piratenpartei auf ihrer politischen Agenda vor sich her trägt? Wer es sich leisten kann, trotz dringenden Handlungsbedarfes in der Politik Stürme in Wassergläsern anzufachen, der relativiert und diskreditiert damit auch die von den Piraten besetzten politischen Themen.
Strategien
Natürlich ist es dem politisch denkenden Menschen oftmals eigen, mit seiner Meinung auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Das macht das Wesen der westlich geprägten Vorstellung von Politik erst aus. Es ist gut und wichtig, eigene Auffassungen kundtun zu dürfen. Dazu bekennen sich alle Parteien, die auf dem Boden unserer Verfassung stehen.
Es ist zwar ein Unterschied, ob innerhalb dieser Meinungsfreiheit auch tatsächlich “lediglich” Meinungen insbesondere zur Politik verbreitet werden oder ob diese Freiheit auch dazu genutzt wird, andere unangemessen herabzuwürdigen. Das wäre sicherlich nicht im Sinne der Erfinder dieser Freiheit und wird von ihr genau genommen auch nicht gedeckt. Allerdings ist der Übergang von einer “qualifizierten” Bekundung der eigenen Meinung zur verächtlich machenden Aussage mit unterstellendem oder gar beleidigendem Charakter fließend. Und das ist sicherlich der Kern eines Problems, das nicht erst besteht, seit die Piratenpartei die Politik betreten hat.
Neben vielen weiteren Lösungsansätzen können sicherlich zwei Archetypen benannt werden, um diesem Problem zu begegnen: Eine Möglichkeit besteht darin, innerhalb eines Systems, hier einer politischen Partei, offene oder verdeckte Hierarchien zu installieren. Darin ist jedes Mitglied dieser Gemeinschaft zumindest informell verortet. Daraus ergeben sich Kompetenzen, die es ermöglichen, bestimmte Dinge überhaupt erst zu äußern und wenn ja, in welcher Form dies geschehen darf. Wer sich nicht daran hält, kann in dieser Hierarchie selbst nicht aufsteigen - Palastrevolutionen sind nach wie vor die große Ausnahme auch in der Politik - und wird daher eben kein Sprachrohr seines Systems, weswegen alle, also auch unangemessene Äußerungen diesem System kaum Schaden zufügen können. All dies scheint zwar auf den ersten Blick recht komplex zu sein. Diese Mechanismen existieren jedoch und die Außendarstellungen vieler Parteien belegen, daß diese trotz tatsächlich oft sehr großer innerparteilicher Differenzen im Sinne und zu Gunsten der öffentlichen Wahrnehmung funktionieren. Der notwendige Preis, der für diese äußerliche Ruhe gezahlt wird, besteht dabei in einer partiellen Aufgabe der eigenen Autonomie und nicht selten in Hinterhältigkeiten und latentem innerparteilichem Mißtrauen. Denn unter dem großen Mantel der Einigkeit gibt es selbstverständlich auch Kriege. Sie werden allerdings verdeckt geführt, weswegen oft niemand wissen kann, wer nun gerade wieder einmal was ausheckt oder sich mit wem verbündet etc.. Sehr zweifelhaft erscheint es jedoch, ob dieser Archetyp auch ausgerechnet in einer Partei installiert werden könnte, deren Selbstverständnis sich gerade daraus speist, daß dem Menschen unveräußerliche Freiheiten zustehen, die eben auch keiner Hierarchie geopfert werden dürften.
Ein anderer Archetyp, um den fließenden Übergang von Ausübung der Meinungsfreiheit und unangemessener persönlicher Herabwürdigung einzufangen, besteht darin, das der Selbstbestimmung immanente Spiegelbild der Selbstverantwortung auch zu leben. Dies ist sicherlich der Weg, der am meisten piratiges Selbstverständnis spiegelt und den auch viele in der Partei tatsächlich beschreiten: Jeder paßt zunächst einmal auf sich selbst auf. Leider scheint dieser Weg aber nicht immer die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu finden. Denn selbst wenn er von 99 Mitgliedern beschritten wird, fällt die Aufmerksamkeit dennoch oft dem einen zu, das den lauten und vor allem unangemessenen Pfad beschreitet. Mitunter wird behauptet, daß sich Mitglieder anderer Parteien auch öffentlich noch viel übler gegenseitig angehen würden, so sie denn gelassen würden. Diese Vermutung ergebe sich jedenfalls dann, wenn Gespräche im kleinen Kreis Wahrheiten aufzeigten.
Nach allem ist der zweitgenannte Archetyp sicher ein Modell, das dem Charakter und der Mitgliedschaft der Piratenpartei am nächsten kommt. Da es vermutlich nicht vollständig funktionieren würde, dürften Elemente des erstgenannten Archetyps eine sinnvolle Ergänzung darstellen: Diejenigen, die den Unterschied zwischen freier Meinungsäußerung und persönlich herabwürdigender Schmähung nicht verinnerlicht haben und leben, sollten zwar als Menschen völlig gleichberechtigt Anerkennung finden, schon weil sich dahinter mitunter auch defizitäre Persönlichkeitsentwicklungen verbergen. Es sollte aber auch zum Ausdruck kommen, daß solche unangemessenen Äußerungen kein Mittel des politischen Diskurses sein können, weswegen ihnen nicht mit Ernst begegnet werden dürfte. Dies müßte dann konsequenterweise unabhängig davon gelten, welchem inhaltlichen Ziel eine Aussage ursprünglich diente. Relevant wäre allein, welcher Form sich die oder der Aussagende bedient.
“Kurs der Partei”
Wie beschrieben liegt im Reiz der menschlichen Freiheit, Meinungen äußern zu dürfen, zugleich das Risiko der Übersteuerung. Zu diesem Manko kommen in allen Systemen, die aus mehr als einem Menschen bestehen, naturgemäß noch inhaltliche Differenzen hinzu. Je schlechter die Kommunikation inhaltlich im Ergebnis funktioniert, um so größer erscheinen diese Differenzen. Höhepunkte eines Kommunikationsmangels sind die Betonungen von unterschiedlichen Betrachtungsweisen, nicht von Gemeinsamkeiten. Wären etwa in der CDU vor sechzig Jahren stets die Unterschiede zwischen Protestanten und Katholiken zelebriert worden, so gäbe es diese Partei heute nicht mehr. Als zu unterschiedlich wurden damals die Positionen empfunden, welche die Konfessionen selbst noch im Bereich der Politik trennten. Die Fähigkeiten zur Kompromißbildung und zur Betonung gemeinsamer Werte galten als Schlüsselvoraussetzungen, um überhaupt erst die Möglichkeiten zu erlangen, genau diese Gemeinsamkeiten auch politisch mit Leben zu füllen.
Äußerungen wie etwa die, eine “Penisliste” nicht unterstützen zu wollen oder “#keinHandschlag” sind Ausdruck der Betonung von Unterschieden in der Partei. Sie stellen nicht das Gemeinsame heraus, weswegen eine Mitgliedschaft in aller Regel erst aufgenommen wurde. Ein solches Verhalten zeugt davon, nicht die Frage gestellt zu haben, was denn die Alternative zur als unerwünscht empfundenen Ausrichtung der Partei wäre - nämlich das sicherlich noch weniger erwünschte Erstarken der politischen Konkurrenz -, sondern die eigene Position kompromißlos zum alleinigen Maßstab erheben zu wollen. Würde dieses Vorgehen wiederum zum Maßstab, so könnte es bald mehrere tausend Parteien geben, die sich dann alle nur aus ehemaligen Mitgliedern der Piratenpartei speisen würden. Jede dieser Parteien für sich wäre aber schon arg klein.
Der sogenannte “Kurs der Partei” und die vermeintliche Gesinnung anderer Mitglieder wird von manchen gern in den Status einer Religion erhoben. Dabei wird übersehen, daß die Partei bereits einen “Kurs” hat. Wer sich damit identifiziert, ist in der Partei sicher gern gesehen. Wer sich damit nicht anfreunden möchte, wird vermutlich nicht gezwungen, der Piratenpartei treu zu bleiben. Wer allerdings der Auffassung ist, diesen “Kurs” allein mit Leben füllen zu dürfen und ihn weiter zu definieren, dem sei empfohlen, zuvor demokratische Voten einzuholen.
Wer wahrhafte Gegner des Faschismus jeder Ausprägung als “Nazis” bezeichnet, weil er die Deutungshoheit über die Methoden des Kampfes beansprucht, dem geht es schon gar nicht um den von allen getragenen “Kurs”, sondern allenfalls um ein Randthema, das nicht im Zentrum der Partei steht. Wer eine engagierte, aber mitunter ungeschickt auftretende Berliner Politikerin als “linksextrem” bezeichnet, weil sie in der Asylpolitik bestimmte höchst menschliche Ansätze vertritt, der verkennt, daß sich diese Positionen in ein vorgefertigtes Schema nicht einordnen lassen, schon weil etwa die katholische Kirche ganz ähnliche Vorstellungen hat.
Es dürften auch keine wirklich nachvollziehbaren Belege dafür bekannt sein, daß einzelne Gruppierungen innerhalb der Partei nachhaltig und über manch emotional verfaßten Kurzkommentar hinaus ernsthaft das Selbstverständnis der Partei in Frage stellen. Dennoch werden gern Verschwörungstheorien zelebriert, die unterstellen, daß es gezielte Bestrebungen gebe, das gemeinsame Fundament der Partei in Frage zu stellen. Mut und Angstfreiheit wurden der Piratenpartei einst nachgesagt. Etwas weniger Angst wäre auch an dieser Stelle sicher angezeigt.
Ehrenämter
Viele Mitglieder engagieren sich in der Partei ehrenamtlich. Manche Ortsverbände etablierter Großparteien träumen nur davon, auf solche Kraftfutterreservoirs zurückgreifen zu können. Finanzielles Minus wird in der Piratenpartei durch persönliches Plus kompensiert. Da ist es ganz menschlich, wenn manche “ihre” Partei auch in “ihrer” Art und Weise ausgeprägt sehen möchten, was oft wie ein “Lohn” für das Engagement gesehen wird. Das gilt natürlich wiederum für jeden, der sich unentgeltlich einbringt, mithin auch für die, die unterschiedliche Vorstellungen von der Partei haben. Auch hier ist es wieder das alte Spiel: Wird das Glas halb voll oder halb leer gesehen? Ist der andere ein Mitkämpfer um die gemeinsame Sache oder ein innerparteilicher Konkurrent, wenn es um die beste Ausrichtung der Partei geht? Konsens müßte aber zumindest sein, dem anderen nicht von vornherein “Bösartigkeit” zu unterstellen und zumindest das anzuerkennen, was im Sinne der Grundsätze der Partei geleistet wird.
Vorstand
In diesem Spannungsfeld erscheint es fast unmöglich, als Vorstand erfolgreich zu agieren. Zu groß und vor allem zu unterschiedlich besetzt sind die Erwartungen von lauten Teilen der Basis. Sie orientieren sich heute leider häufig nur noch an Details etwa hinsichtlich einer bestimmten Ausrichtung oder am als unpassend empfundenen persönlichem Auftreten. Das Augenmerk gilt nicht mehr wie in den Anfangstagen der Partei der zentralen Erwägung, warum die Parteimitgliedschaft überhaupt besteht. Die Mängel der großen Politik, die erst die Ursache für die Parteigründung waren, werden mitunter völlig ausgeblendet. Wer im Fernbleiben von Vorstandsmitgliedern an Treffen einen Austrittsgrund sucht, der muß sich fragen lassen, weshalb er der Partei eigentlich beigetreten war.
Selbstverständlich handelte die ansonsten gut und souverän agierende Versammlungsleitung in Bochum falsch, als sie Unmutsbekundungen wegen des Aufhängens einer parteifremden Fahne rhetorisch damit abtat, es könne ja ein Antrag auf Entfernung gestellt werden. Denn schon der gesunde Menschenverstand hätte es geboten, zunächst den Antrag stellen zu lassen, ob der Parteitag überhaupt zur Bühne parteifremder Symbolik werden sollte. Zu dieser Zeit war der Bundesvorsitzende nach seiner Eröffnungsrede übrigens schon nicht mehr anwesend, da seine Frau just da plötzlich schwer erkrankt war und ins Krankenhaus eingeliefert wurde, weshalb er sich auch um das Kleinkind kümmerte.
Doch was wurde aus diesem Vorgang gemacht? Einer Staatsaffäre gleich wurde dem Vorstand vorgeworfen, die Partei verraten zu haben. Das erfolgte mitunter von Mitgliedern, die ansonsten peinlich genau darauf bestehen, daß Parteitage im Prinzip keinen Vorstand, sondern allein eine Versammlungsleitung kennen. Und welcher Kritiker hat denn damals beispielsweise den zeitgleich erschienenen und viel beachteten Artikel des Bundesvorsitzenden im Handelsblatt zur Bestellung der neuen Bundesdatenschutzbeauftragten zur Kenntnis genommen, mit dem er die Piratenpartei auf hohem Niveau in der Öffentlichkeit repräsentierte?
Während die freie Welt Anfang 2014 dank Snowden schon anders gesehen wurde als noch Anfang 2013 ging es in der Piratenpartei regelmäßig vor allem um die Frage, ob der Zeitpunkt der Distanzierung des Bundesvorstandes von einer zwar nicht verbotenen, aber dennoch wahrhaft unangemessenen Aktion einer Kandidatin für das Europaparlament nicht zu spät gekommen war. Ohne den Blick auf die echte Politik zu werfen wurde überdies darüber gestritten, ob ein Vorstand bei politischer Distanzierung dennoch menschliche Solidarität bekunden dürfe, die übrigens in der Heimat der Übeltäterin selbst der politische Gegner gewährte. Und statt sich schließlich in der Partei mit der deutschen Gerichtsbarkeit zu beschäftigen, soweit es etwa um die politische Bestellung von Verfassungsrichtern und weisungsgebundenen Staatsanwälten geht, möchten einige lieber die deutsche Gerichtsbarkeit mit der Frage beschäftigen, wo und wann genau ein Parteitag stattfinden sollte.
Fazit
Angesichts solcher Vorgänge dürfte es keinem Vorstand gelingen, zur überwiegenden Zufriedenheit der Basis zu arbeiten. Es ist nur zu gut verständlich, wenn sich viele gute Leute, die der Partei auch neuen Schwung vermitteln würden, gegen diese Form der Mitarbeit entscheiden. Um so mehr Anerkennung sollten die finden, die sich trotz aller Widrigkeiten zur Verfügung stellen.
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Sonntag, 22. Juni 2014
Eine Kandidaturrede ohne Kandidat
tinilou, 23:46h
(Gastbeitrag von tinilou)
Diese Partei ist entzweit wie nie und ich hoffe, dass es kein inhaltlicher Streit ist, denn wenn das unser Umgang mit dem politischen Gegner wäre, würde ich die Piratenpartei in keinem weiteren Parlament wissen wollen.
Es ist von Flügeln die Rede, doch nicht einmal um den Streitgegenstand herrscht Einigkeit.
Fragt man die eine Seite, heißt es; die Methoden der Linksradikalen seien das Problem. Doch hört man sich dort um, wird man merken, dass nur ein sehr kleiner Anteil tatsächlich Gewalt als ein Mittel seiner Politik sieht.
Fragt man die andere Seite heißt es, die 2009er Liberalen seien nur auf Netzpolitik fixiert und missachteten die Bedeutung der sozialen Themen. Fragt man diese jedoch, ist es auch dort wiederum nur ein sehr kleiner Teil, der sich von BGE, Feminimus und asylpolitischem Programm wirklich distanziert.
Dieser Streit beruht wie die meisten auf einem Missverständnis und Vorurteilen über den vermeintlichen Gegner.
Alle unsere Themen haben eine Berechtigung, solange Menschen Programmpunkte dafür schreiben und diese eine Mehrheit beim Parteitag erzielen.
Netzpolitik ist eine unserer Stärken, aber es gab auch keine Mehrheit die uns als 'Ein-Themen-Partei' gewählt hätte.
Der Gesellschaftsentwurf, den wir im Netz gefunden haben, ist größer, so groß wie unser Programmspektrum und hoffentlich noch darüber hinaus. Denn wir sind noch lange nicht fertig damit, unser Bild einer Gesellschaft in Programm zu zeichnen.
Wenn ich nun hoffe, dass die Differenz keine inhaltliche ist, und sich im Gespräch mit den verschiedenen Lagern nicht einmal eine Streitlinie ergibt, an der man einen Konsens verhandeln könnte; Bleibt nur eine Ebene – die menschlich emotionale.
Es geht um verletzte Gefühle und den Umgang miteinander. Und in diesem Punkt kann ich keine der beiden Seiten, noch meine Freunde oder auch mich freisprechen.
Diesen Fehler haben wir alle gemacht, über alle erdenklichen Medien und Wege.
Was machen wir nun mit dieser Situation? Wir haben einander verletzt, teilweise bis zu einem Grad, dass von 'unverzeihlichen' Fehlern die Rede ist, oder es sich so anfühlt, auch wenn wir es so nicht artikulieren.
Eine Sache fällt vermutlich schwer zu verstehen, wenn jetzt jeder mal an den denkt, der ihn am meisten gekränkt hat; im Generellen ist nicht davon auszugehen, dass ein Mensch bösartig geboren wurde.
Gerade wir – als Partei mit dem positiven Menschenbild - sollten das nicht zu einer Grundannahme machen, anhand der wir urteilen.
Der Grund, warum Menschen andere verletzen, hat in den allermeisten Fällen etwas mit persönlicher Not und Verzweiflung zu tun. Dem Gefühl, keinen anderen Weg als diesen zu haben, um sein Gesicht zu wahren.
Ihr alle habt euch in diesem Sinn schuldig gemacht und seid auf der anderen Seite zu Opfern geworden - und wir werden keinen Weg zurück zu einer gemeinsamen Kommunikation und damit auch gemeinsamer politischen Arbeit finden, wenn wir nicht verstehen, dass das nicht unsere Feinde sind, die da umher laufen und uns wehtun, sondern auch Menschen in einer Not. Wir müssen lernen zu verzeihen, was gewesen ist, um weiter zu kommen.
Die unverzeihlichen Fehler, von denen die Rede ist, sind eine Rechtfertigung sich zurückzuziehen und zurück zu beißen.
Jeder hat das Recht, sich zu schützen, aber es sind immer wieder andere Personen, die so aus dem Kommunikationsraster fallen. Für mich ist ein Angriff kein Grund, Auge um Auge heimzuzahlen.
Der einzige Weg daraus kann es sein, hinter die Fassade nach der Not zu schauen, die dieses Verhalten hervorbringt und bei dieser Hilfe und alternatives Verhalten anzubieten.
Bei manchen ist von härteren Konsequenzen die Rede, von Ordnungsmaßnahmen für Fehltritte. Ziehen wir das durch, wüsste ich nicht wen ich noch wählen sollte oder wer die Ordnungsmaßnahmen verhängen düfte. Das Problem sind nicht nur die einzelnen Idioten – das Problem sind wir alle.
Ich bin kein Freund von Strafen, abgesehen davon, dass die Optionen, die wir als Ordnungsmaßnahmen haben, weitestgehend niemandem weh tun oder in irgendetwas bremsen würden. Ohne dass sich an unserer Weise zu denken etwas ändert, wird keine Strafe eine Besserung bewirken können.
Unser Gegenüber können wir nicht ändern, alles, was uns bleibt, ist uns selbst zu ändern. Dafür ist es nötig, inne zu halten und uns selbst zu reflektieren. Wer dabei eine weiße Weste findet, ist nicht ehrlich zu sich.
Am Ende muss keiner der Flügel gewinnen - denn wir sind eine Partei, um vielfältige Meinungen abzubilden. Keiner der Flügel muss gehen, wenn wir akzeptieren, dass am Ende immer die Entscheidung einer Mehrheit über die Sache selbst steht.
Für mich ist unser ganzes Programm, wie es heute steht, wichtig.
Für mich ist Gewalt überwiegend(*) kein angemessenes Mittel für Politik.
Ich bin mir sicher, dass eine Mehrheit der Piraten wie ich denkt und nicht so, wie sie vom vermeintlichen Gegner im Flügelkampf dargestellt werden.
Dies ist eine Kandidaturrede ohne Kandidat, weil weder meine Gesundheit noch meine Kräfte ausreichen für eine Amtszeit als Bundesvorstand.
Aber vielleicht finden wir Kandidaten, die den Flügelstreit nicht weiter schüren wollen.
Vielleicht findet jeder Einzelne seinen Anteil an dem Problem und ist bereit an sich zu arbeiten.
* Nach einigen Hinweisen möchte ich ergänzen, dass die Eingrenzung für mich nur in sehr prekären Situationen, wie z.B. dem Widerstand in einem totalitären Staat, gilt.
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Freitag, 21. Februar 2014
#Orgastreik
hariolor, 05:07h
tl;dr
Einigermaßen ungeordnete Gedanken dazu, weshalb ich bereit war, den #Orgastreik zu unterstützen. Den "Streiktext" habe ich btw. nochmal unter http://hariolor.blogger.de/stories/2377737 verlinkt.
So. Der Shitstorm läuft. Aber das wusste ich vorher; ich wusste es in dem Moment, in dem ich meinen Namen unter den Text setzte. Ich hatte auch eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob ich das tun sollte. Und mich dann trotz einiger Bedenken dafür entschieden. Warum - und wie kam es?
Ich bin seit 2009 in dieser Partei und habe die ein oder andere Orga-Aufgabe übernommen, und das gerne. Allerdings ist diese Partei in den letzten paar Monaten in eine Schieflage geraten. Die große
Eintrittswelle von 2011 hätte meiner Meinung nach eine Debatte über die Ausrichtung dieser Partei erfordert - das fand jedoch nicht statt, was uns jetzt auf die Füße fällt. An einzelnen Symbolen wie einer Fahne oder einer (in meinen Augen ziemlich dämlichen) Aktion mit nackten Brüsten entzündet sich ein Streit, der eigentlich viel tiefer geht. Eigentlich geht es um einen Richtungsstreit in dieser Partei. Der kann aber nicht geführt werden, solange der Umgang vieler Piraten miteinander einfach unterirdisch ist - und das wurde in den letzten Wochen zunehmend zum Problem.
Ich habe mit Piraten gesprochen, die nach jahrelangem Tolerieren wütend austraten. Ich habe mit Piraten telefoniert, denen so viel Scheiße entgegengeschleudert wurde, dass sie am Telefon in Tränen ausbrachen; ich habe oft genug von Nazi-Vorwürfen gelesen; andererseits wurden aber auch Menschen als "Antifa" geoutet - was gegenüber einer aktiven rechten Szene für diese Menschen sehr gefährlich werden kann. In der rechten Szene wurde offen dazu aufgerufen, das Büro von Fabio Reinhardt und Oliver Höfinghoff bei der Eröffnung zu "besuchen", ohne dass es dazu aus der Partei eine deutliche Reaktion gegeben hätte. Kurz: Beide Seiten nahmen sich nichts, wenn es darum ging, die jeweils anderen zu beschimpfen, zu diffamieren und fertigzumachen. Die Eskalation war bereits sehr weit fortgeschritten, wahrscheinlich weiter als jemals vorher bei den Piraten.
Ich hatte nach Bochum versucht, mit einigen anderen eine Gegeninitiative zu starten; ein Forum für eine Debatte zu finden, dass es erlauben würde, die Energie in konstruktivere Bahnen zu lenken. Der BuVor hätte es unterstützt, auch mit finanziellen Mitteln. Allein: Ich fand nicht genug Piraten, die bereit gewesen wären, so etwas mit vorzubereiten oder zu planen. Dann kam Dresden und alles wurde noch schlimmer. Ich begann, mir ernsthaft Gedanken über den Fortbestand dieser Partei zu machen - ein Projekt, in das ich in den letzten Jahren viel Zeit, Energie und Geld gesteckt hatte und das mir sehr wichtig ist.
Viele aktive, wichtige Piraten sind in den letzten Tagen ausgetreten; über die Gründe möchte ich mich hier nicht auslassen, nur soviel: Einigen ging die "linke" Positionierung, die sie wahrzunehmen glaubten, zu weit. Andere hatten sich schon länger mit dem Gedanken getragen und die Art und der Ton, wie die Diskussionen der letzten Wochen geführt wurden, waren der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mein Eindruck dazu war und ist: Wenn sich dieser Prozess fortsetzt, dann wird diese Partei in absehbarer Zeit scheitern.
Leider stehe ich dabei zwischen allen Stühlen. Ich kenne und schätze Piraten in beiden "Lagern"; niemand hat es verdient, sich als Nazi beschimpfen zu lassen, weil er nicht die Meinung des linken Flügels teilt. Andererseits wollte ich mich keinesfalls dem Bashing von Julia Schramm oder Anne Helm anschließen, im Gegenteil - sie verdienen unsere Solidarität bei all dem, was ihnen in den letzten Tagen begegnet ist. Es gibt keinen Grund, sie nicht mit Respekt zu behandeln, nur weil man ihre politischen Standpunkte nicht teilt.
In Gesprächen mit etlichen anderen Piraten begegnete mir Ratlosigkeit, was denn zu tun sei, und das Gefühl, dass die Partei gerade mit Vollgas Richtung Wand fährt. Dann wurde ich angesprochen, ob ich mich an einer Aktion einiger IT- und Orga-Piraten beteiligen möchte, die sich entschieden hatten, ein deutliches Zeichen zu setzen.
Ich war hin- und hergerissen. Der Text, der als Entwurf vorlag, war mir persönlich zu sehr auf Distanzierung aus und betonte zu sehr die "liberale" Seite. Mir war klar, dass ich damit einigen derjenigen Menschen in dieser Partei auf die Füße treten würde, die mir wichtig sind oder deren Arbeit ich sehr schätze. Andererseits hielt ich den geplanten #Orgastreik als Warnung an diese Partei, sich endlich zusammenzureißen und wieder menschlich miteinander umzugehen, für eine Maßnahme, deren Deutlichkeit der Situation angemessen war. Um fünf vor zwölf macht es wenig Sinn, noch einen offenen Brief zu veröffentlichen.
Wir - einige Orga- und IT-Piraten, haben ein radikales und vielleicht das letzte Mittel gewählt, das uns blieb. Wir tun das nicht aus einer Machtposition oder um irgendjemanden zu erpressen. Es ist unser Versuch, um diese Partei zu kämpfen. Der mag geglückt sein oder auch nicht. Es ist ein Stück weit Verzweiflung. Weil wir nicht wissen, was wir sonst noch tun sollen, damit ihr erkennt, dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben.
@d1etpunk - im übrigen ein guter Freund - hat u. a. mich heute in einem Tweet mit Eichmann gleichgesetzt... Ach, egal. Sein Zorn sei ihm verziehen. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch gerne alle an mir abreagieren. Hauptsache ihr seid hinterher wieder menschlich und konstruktiv. Genau das war nämlich das Ziel der Aktion heute.
Einigermaßen ungeordnete Gedanken dazu, weshalb ich bereit war, den #Orgastreik zu unterstützen. Den "Streiktext" habe ich btw. nochmal unter http://hariolor.blogger.de/stories/2377737 verlinkt.
So. Der Shitstorm läuft. Aber das wusste ich vorher; ich wusste es in dem Moment, in dem ich meinen Namen unter den Text setzte. Ich hatte auch eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob ich das tun sollte. Und mich dann trotz einiger Bedenken dafür entschieden. Warum - und wie kam es?
Ich bin seit 2009 in dieser Partei und habe die ein oder andere Orga-Aufgabe übernommen, und das gerne. Allerdings ist diese Partei in den letzten paar Monaten in eine Schieflage geraten. Die große
Eintrittswelle von 2011 hätte meiner Meinung nach eine Debatte über die Ausrichtung dieser Partei erfordert - das fand jedoch nicht statt, was uns jetzt auf die Füße fällt. An einzelnen Symbolen wie einer Fahne oder einer (in meinen Augen ziemlich dämlichen) Aktion mit nackten Brüsten entzündet sich ein Streit, der eigentlich viel tiefer geht. Eigentlich geht es um einen Richtungsstreit in dieser Partei. Der kann aber nicht geführt werden, solange der Umgang vieler Piraten miteinander einfach unterirdisch ist - und das wurde in den letzten Wochen zunehmend zum Problem.
Ich habe mit Piraten gesprochen, die nach jahrelangem Tolerieren wütend austraten. Ich habe mit Piraten telefoniert, denen so viel Scheiße entgegengeschleudert wurde, dass sie am Telefon in Tränen ausbrachen; ich habe oft genug von Nazi-Vorwürfen gelesen; andererseits wurden aber auch Menschen als "Antifa" geoutet - was gegenüber einer aktiven rechten Szene für diese Menschen sehr gefährlich werden kann. In der rechten Szene wurde offen dazu aufgerufen, das Büro von Fabio Reinhardt und Oliver Höfinghoff bei der Eröffnung zu "besuchen", ohne dass es dazu aus der Partei eine deutliche Reaktion gegeben hätte. Kurz: Beide Seiten nahmen sich nichts, wenn es darum ging, die jeweils anderen zu beschimpfen, zu diffamieren und fertigzumachen. Die Eskalation war bereits sehr weit fortgeschritten, wahrscheinlich weiter als jemals vorher bei den Piraten.
Ich hatte nach Bochum versucht, mit einigen anderen eine Gegeninitiative zu starten; ein Forum für eine Debatte zu finden, dass es erlauben würde, die Energie in konstruktivere Bahnen zu lenken. Der BuVor hätte es unterstützt, auch mit finanziellen Mitteln. Allein: Ich fand nicht genug Piraten, die bereit gewesen wären, so etwas mit vorzubereiten oder zu planen. Dann kam Dresden und alles wurde noch schlimmer. Ich begann, mir ernsthaft Gedanken über den Fortbestand dieser Partei zu machen - ein Projekt, in das ich in den letzten Jahren viel Zeit, Energie und Geld gesteckt hatte und das mir sehr wichtig ist.
Viele aktive, wichtige Piraten sind in den letzten Tagen ausgetreten; über die Gründe möchte ich mich hier nicht auslassen, nur soviel: Einigen ging die "linke" Positionierung, die sie wahrzunehmen glaubten, zu weit. Andere hatten sich schon länger mit dem Gedanken getragen und die Art und der Ton, wie die Diskussionen der letzten Wochen geführt wurden, waren der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mein Eindruck dazu war und ist: Wenn sich dieser Prozess fortsetzt, dann wird diese Partei in absehbarer Zeit scheitern.
Leider stehe ich dabei zwischen allen Stühlen. Ich kenne und schätze Piraten in beiden "Lagern"; niemand hat es verdient, sich als Nazi beschimpfen zu lassen, weil er nicht die Meinung des linken Flügels teilt. Andererseits wollte ich mich keinesfalls dem Bashing von Julia Schramm oder Anne Helm anschließen, im Gegenteil - sie verdienen unsere Solidarität bei all dem, was ihnen in den letzten Tagen begegnet ist. Es gibt keinen Grund, sie nicht mit Respekt zu behandeln, nur weil man ihre politischen Standpunkte nicht teilt.
In Gesprächen mit etlichen anderen Piraten begegnete mir Ratlosigkeit, was denn zu tun sei, und das Gefühl, dass die Partei gerade mit Vollgas Richtung Wand fährt. Dann wurde ich angesprochen, ob ich mich an einer Aktion einiger IT- und Orga-Piraten beteiligen möchte, die sich entschieden hatten, ein deutliches Zeichen zu setzen.
Ich war hin- und hergerissen. Der Text, der als Entwurf vorlag, war mir persönlich zu sehr auf Distanzierung aus und betonte zu sehr die "liberale" Seite. Mir war klar, dass ich damit einigen derjenigen Menschen in dieser Partei auf die Füße treten würde, die mir wichtig sind oder deren Arbeit ich sehr schätze. Andererseits hielt ich den geplanten #Orgastreik als Warnung an diese Partei, sich endlich zusammenzureißen und wieder menschlich miteinander umzugehen, für eine Maßnahme, deren Deutlichkeit der Situation angemessen war. Um fünf vor zwölf macht es wenig Sinn, noch einen offenen Brief zu veröffentlichen.
Wir - einige Orga- und IT-Piraten, haben ein radikales und vielleicht das letzte Mittel gewählt, das uns blieb. Wir tun das nicht aus einer Machtposition oder um irgendjemanden zu erpressen. Es ist unser Versuch, um diese Partei zu kämpfen. Der mag geglückt sein oder auch nicht. Es ist ein Stück weit Verzweiflung. Weil wir nicht wissen, was wir sonst noch tun sollen, damit ihr erkennt, dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben.
@d1etpunk - im übrigen ein guter Freund - hat u. a. mich heute in einem Tweet mit Eichmann gleichgesetzt... Ach, egal. Sein Zorn sei ihm verziehen. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch gerne alle an mir abreagieren. Hauptsache ihr seid hinterher wieder menschlich und konstruktiv. Genau das war nämlich das Ziel der Aktion heute.
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Der Text zum Warnstreik der Orga- und IT-Piraten
hariolor, 03:04h
Hallo Welt!
Teile der Verwaltung und Technik der Piratenpartei befinden sich derzeit im Warnstreik.
Wir hatten einen Deal: Wir halten euch den Rücken frei von Verwaltungskram und ihr macht gute Politik. Dieser Deal wurde einseitig gekündigt.
Wir haben lange zugesehen, wie sich diese Partei politisch entwickelt, und haben uns immer weiter auf unsere heile Insel Verwaltung und IT zurückgezogen, in der Hoffnung, dass es auch wieder besser wird. Das war offensichtlich keine gute Idee.
Wir erwarten von "der Basis"™
Teile der Verwaltung und Technik der Piratenpartei befinden sich derzeit im Warnstreik.
Wir hatten einen Deal: Wir halten euch den Rücken frei von Verwaltungskram und ihr macht gute Politik. Dieser Deal wurde einseitig gekündigt.
Wir haben lange zugesehen, wie sich diese Partei politisch entwickelt, und haben uns immer weiter auf unsere heile Insel Verwaltung und IT zurückgezogen, in der Hoffnung, dass es auch wieder besser wird. Das war offensichtlich keine gute Idee.
Wir erwarten von "der Basis"™
- das Übernehmen von Verantwortung für die eigenen Aktionen und Aussagen.
- eine Diskussionskultur ohne Mobbing, Drohungen und Hetzjagden
- mehr Akzeptanz für andere Meinungen eine größere Solidarität untereinander
- mehr Beschäftigung mit Themen anstelle von Gate-Tourismus
- den Abbau von internen Feindbildern Fokussierung auf gemeinsame Ziele
- eine deutliche Distanzierung von Aktionen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen.
- eine deutliche Distanzierung gegenüber Aktionen und Aussagen von Parteimitgliedern, gleich welcher Gliederung, ob mit oder ohne Amt/Mandat, die gegen diese Ordnung verstoßen
- deutliche konsequentere Handlungen im weiteren Umgang mit den entsprechenden Personen.
Wir erwarten vom Bundesvorstand:
Diese Partei ist 2006 in der C-Base in Berlin gegründet worden, um sich für Freiheit, Bürgerrechte und Mitbestimmung zu engagieren. Wir fordern eine Besinnung auf diese ursprünglichen Ziele.
"Sie vereinigt Piraten (...) die beim Aufbau und Ausbau eines demokratischen Rechtsstaates und einer modernen freiheitlichen Gesellschaftsordnung geprägt vom Geiste sozialer Gerechtigkeit mitwirken wollen. Totalitäre, diktatorische und faschistische Bestrebungen jeder Art lehnt die Piratenpartei Deutschland entschieden ab." - Satzung § 1 Abs. 1
Wir wünschen uns einen Politikwandel, der sich durch friedliche Teilhabe auszeichnet und sich deutlich von gewalttätigem Aktivismus abgrenzt. Die Politik in diesem Land braucht ein Update, im Rahmen des Grundgesetzes und keinen Umsturz auf revolutionärem Wege.
Unabhängig von unserer Meinung zu bestimmten politischen Inhalten und abweichenden Vorstellungen über die Methoden, mit denen man diese umsetzt, erklären wir auch, dass wir Reaktionen wie Beschimpfungen, Mobbing, Gewalt- und Mordandrohungen und -anwendungen in keiner Form akzeptieren.
In Anbetracht der aktuellen Welle von heftigen Angriffen, die zur Zeit einige treffen, aber auch der Diskussionskultur, die derzeit auf Twitter, Mailinglisten etc. auf zum Teil extrem persönlicher Ebene stattfindet, bitten wir darum, zu realisieren, dass am anderen Ende auch Menschen sitzen, und dass diese bei allen Meinungsverschiedenheiten auch als solche zu behandeln sind.
Es mag euch überraschen, aber es gibt in dieser Partei keine Flügel namens "geschichtsvergessene Liberal-Nazis" oder "totalitäre Linksfaschisten".
Bitte, schaltet einen Gang runter, macht Twitter aus, und denkt mal darüber nach, was wir gemeinsam in dieser Partei erreichen wollen.
Mit freundlichen Grüßen
eure IT und Verwaltung, die seit Monaten nur noch kopfschüttelnd zugucken
P.S.: Wir wünschen uns vor allem, dass wir wieder produktiv zusammen arbeiten können. Wir möchten uns,wenn alle wieder ein bisschen runtergefahren haben, unter #nixgate darüber verständigen, wie das in Zukunft geschehen soll.
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Mittwoch, 4. Dezember 2013
Nachtrag zum Nachtrag
hariolor, 04:49h
Ein Nachtrag zum Nachtrag vieler zum BPT 2013.2 in Bremen.
Am Montagabend kam ich vom BPT zurück. Wie (fast) immer hatte ich mich um den Transport der Technik und um Auf- und Abbau gekümmert. Da ich diesmal beschlossen hatte, zwischendurch auch ab und an ein wenig zu schlafen (ich hoffe, es sei mir verziehen), bekam ich von der eigentlichenVeranstaltung so richtig nur den Samstagnachmittag und den Sonntagvormittag mit. Ich schreibe diesen Artikel allerdings weniger wegen der Veranstaltungsinhalte oder um meiner selbst willen und meiner Heldenrolle in dieser Orga. Ich mach den Kram, weil ich es will, weil ich will, dass diese Partei voran kommt, weil irgendjemand ja auch den Orgascheiß wuppen muss. Egal. Darum gehts nicht.
Ich erzähl das nur um zu erläutern, warum ich erst relativ spät einiges von dem lesen konnte, was bis dahin von Piraten über diesen BPT geschrieben wurde.
Ich möchte hier eine Lanze brechen für die vielen anderen Menschen, die sich schon bei der Vorbereitung auf einen BPT wochen- und monatelang den Kopf zerbrechen, wie jetzt dieses oder jenes zu organisieren sei, wie wir A machen wollen oder B und wie wir mit C umgehen. Es gibt da ja mittlerweile (FSM-sei-dank) eine ganze Reihe von Menschen, die damit Erfahrung haben. Es sei mir verziehen, wenn ich an dieser Stelle an den BPT in Bingen erinnern möchte, den leider viel zu wenige aktive Piraten miterlebt haben. Die damals Anwesenden wissen den Hinweis zu
deuten.
Das Paradebeispiel für die Querelen, die ich meine: Neumarkt. Da gab es mehrere VL-Telkos in den Monaten vor dem BPT. Das Ziel des BPTs war klar: Wir möchten gerne ein Wahlprogramm verabschieden. Als die Anträge langsam eintrudelten, wurde auch das Problem klarer: Es gab diese Monster-Gesamtanträge. Leider konkurrierten einzelne Module daraus mit einzelnen Modulen anderer Gesamtanträge. Was also wäre ein praktikables Verfahren, damit umzugehen aus Sicht einer VL?
Natürlich kann man das ganz basisdemokratisch machen, alles komplett modularisieren und dabei alle Konkurrenzen auflösen. Damit wären wir wahrscheinlich ungefähr im August 2013 fertig geworden. Die Halle in Neumarkt kostete aber schon eine 5stellige Summe pro Tag - hätten wir also nicht bezahlen können. Dabei war dieser Parteitag einen halben Tag länger als alle vorherigen und als Bremen. Aber wer kann es sich schon leisten, 3 Monate in einem Hotel in der Oberpfalz zu leben!? Abgesehen davon war ich als Teil der Orga mittwochs bis sonntags vor Ort und nach einem Parteitag noch nie so fertig. Das war imho zu lange.
Das Team VL-Vorbereitung hatte in langen, mühsamen Diskussionen einen Kompromiss gefunden, damit umzugehen. Das wurde auch ungefähr so durchgehalten. Zusätzlich gab es diese emotional aufgeladenen SMV-Debatten. Dass die Leute auf der Bühne bei *der* Veranstaltung überhaupt durchhielten, nötigt mir ein hohes Maß an Respekt ab. Was passiert im Anschluss? Es werden Anschuldigungern erhoben, die gesamte Veranstaltung sei - tja, was denn eigentlich? - getürkt gewesen? Was mir dazu einfällt, kann ich nur auf saarländisch sagen: "Ihr senn nedd ganz chlor!"
Sprich:
So unangenehm das den Anhängern der reinen Basisdemokratie auch sein mag:
Die Menschen in der VL-Vorbereitung und Anthraxkommision machen ihren Job. Sie versuchen - und das billige ich jedem einzelnen Mitglied dieser Gruppen zu - ihr Bestes zu geben, um einen anstehenden Parteitag möglichst gut vorzubereiten. Nicht zuletzt kann man sich in diese Gremien auch einbringen und seinen eigenen Senf dazugeben. Selbst ich, der ich bei BPTs regelmäßig Netzwerktechnik und eben nicht VL oder Anthraxkommision mache, habe dort vor den letzten BPTs oft teilgenommen und wurde auch gehört.
Auf den letzten BPTs haben wir wiederholt lange über TOs und GOs diskutiert. Manchmal wählte die Versammlung eine TO, die erst kurz vor Beginn der Versammlung bekannt gemacht wurde und alles über den Haufen warf, was das VL-Team vorbereitet hatte. Bisweilen wurde lange über eine GO diskutiert - ich behaupte: von den meisten Abstimmenden nicht gelesen.
Wie wäre es stattdessen, wenn wir uns im Vorfeld auf eine TO/GO/WO einigen könnten? Wenn alle Interessierten ihre Ideen und Bedenken in den entsprechenden Mumble-Telkos vortrügen und - für den Fall, dass sie dort kein Gehör finden - es dabei bewenden ließen, anstatt auf der Veranstaltung ihre Idee noch einmal zu präsentieren?
(Ihr wisst nicht, wann/wo die Telkos stattfinden? Dann fragt doch!)
Versteht mich richtig: Ich will niemanden davon abhalten, eine eigene TO zu entwerfen oder eine eigene GO zu präsentieren. Das ist euer gutes Recht. Aber zumindest liegt der Gedanke nahe, dass es besser und zielführender sein könnte, solche Dinge im Vorfeld zu klären. Damit könnte auch vermieden werden, eine TO oder GO anzunehmen, die letztendlich nicht diskutiert werden konnte, weil Pirat A sie im stillen Kämmerlein entwickelt hat und erst beim BPT zur Abstimmung stellt.
Fazit:
Vertraut den BPT-Orga-Teams bitte ein wenig mehr. Sie versuchen, es möglichst vielen recht zu machen und handeln dabei nicht in ihrem eigenen Interesse. Kritik an der Neutralität der BPT-Orga (inkl. VL-Vorbereitung) finde ich - der ich die Menschen wie auch die Prozesse kenne - verfehlt. Ich hatte zwar kurzzeitig auch einen Weltherrschafts-Schal um, aber der war mir bald zu warm.
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Freitag, 4. Oktober 2013
Die Piraten und die Medien - Versuch einer Bestandsaufnahme
hariolor, 04:19h
Das Ergebnis der Bundestagswahl war ernüchternd. Nach einem Höhenflug, der den PIRATEN den Einzug in vier Landesparlamente bescherte, sanken die Umfragewerte stetig. Das Ergebnis der Bundestagswahl 2013 lag nur marginal über dem der Bundestagswahl 2009 - und dabei hatte Sachsen sich diesmal ebenfalls beteiligt.
Ab und an höre ich daher aus den Reihen meiner PIRATEN harsche Kritik an der Presse, die uns "verschweige", zumindest nicht angemessen darstelle. Das mag einerseits daran liegen, dass die PIRATEN sich gerne wichtiger fühlen, als sie es - objektiv betrachtet - sind. Zum anderen fordern PIRATEN aber eine neutrale, objektive Berichterstattung als Ziel der Medien.
Das ist natürlich nicht so. Journalismus ist nicht per se "fair". Das anzunehmen (Presse als neutral-objektive "vierte Macht" im Staate) ist eine Idealvorstellung, die meiner Meinung nach in der journalistischen Praxis nur sehr selten zutrifft.
Rob hat das auf der sächsichen Mailingliste so formuliert:
"Medien sind nicht dazu da, irgend eine Piratenpartei zu pushen oder einem Startup beim Aufschwung zu helfen! Es sind Unternehmen, deren Arbeit darin besteht, dass interessierte Kunden ihre Produkte kaufen. Und wenn Du so ein Unternehmen zu führen hast, dann musst Du bei diesen Kunden ein Interesse wecken Deine Produkte zu kaufen."
Damit trifft er genau den Kern der Sache! Der Job von Journalisten besteht nicht darin, neutral oder objektiv zu berichten. Das ist - wie oben bereits gesagt - ein Ideal, das nur sehr selten erreicht wird. Der Job eines Journalisten ist es, für den Verkauf seines Produktes zu sorgen. Diesen Job erfüllen die meisten Journalisten auch recht gut, sonst wären sie bald arbeitslos.
Ich wage mal einen kurzen Ausflug in den Bereich "Politische
Massenkommunikation". Nadja Baberowski hatte mir vor einigen Monaten ein politikwissenschaftliches Lehrbuch dazu empfohlen: "Politische Kommunikation" von Markus Rhomberg. Ich habe die Abende in meinem Urlaub Anfang des Jahres dazu genutzt, es intensiv durchzuarbeiten. Und es ist eine wirklich empfehlenswerte Lektüre, wenn man das "System" verstehen will. Ergänzt durch die Lektüre einiger anderer Quellen, bilde ich mir ein, zu dem Thema einen einigermaßen informierten Standpunkt einnehmen zu können, zumindest für einen wissenschaftlichen Laien auf dem Gebiet.
Rein statistisch betrachtet vertritt ein Bundestagsabgeordneter ca. 130.000 Bürger. Mit allen direkt zu kommunizieren, ist von vornherein völlig ausgeschlossen. Nun möchte aber ein Politiker seine politische Einstellung vertreten, sprich: "eine Botschaft rüberbringen". Das geht nur, indem er sich der Mittel der politischen Massenkommunikation bedient. Das sind zunächst Plakate und Flyer, wie sie v. a. im Wahlkampf eine Rolle spielen. Ferner - und wichtiger - sind allerdings seine Beiträge in den allgemein rezipierten Massenmedien, also Zeitungen/Magazine, Radio und vor allem Fernsehen.
Leider folgen die Medien ihrer eigenen ökonomischen Logik, die - wie gesagt - vorrangig auf den Verkauf ihrer Produkte ausgerichtet ist. Die etablierte Politik reagiert(e) darauf, indem sie sich dieser Medienökonomie anpasste: Kurze, mediengerecht aufbereitete Häppchen; ab und an eine mehr oder weniger populistische Forderung, die sich gut eignet, als Schlagzeile abgebildet zu werden. Ich nenne das mal "Polit-Theater".
Große Teile der Bevölkerung haben dieses Polit-Theater satt, da sie es als eben das durchschauen, was es ist: Öffentlichkeitsheischendes Theater. Darauf hatten die Piraten reagiert. Sie wollten dieses Spiel nicht mitspielen. Es galt "Themen statt Köpfe!".
Leider hat das nicht funktioniert, zumindest nicht in diesem
Bundestagswahlkampf. Das ging so weit, dass ich mich im Wahlkampf mit dem Vorwurf auseinandersetzen musste, wir hätten zu unserem absoluten Kernthema, nämlich der überbordenden Überwachung durch die Geheimdienste, nichts gesagt. Wir seien schweigend geblieben. Das ist natürlich nicht richtig. Auf allen Ebenen und mit unglaublich vielen Pressemeldungen und Veranstaltungen haben die PIRATEN in ganz Deutschland versucht, ihre Meinung zu diesem Thema publik zu machen.
Die Resonanz war jedoch relativ gering. Wir haben es nicht geschafft, unsere Sicht in den Massenmedien zu verbreiten.
Wir fanden in den Medien keine Präsenz - von Ausnahmen, wie der Drohne, die in Dresden zu Füßen der Kanzlerin landete, einmal abgesehen.
Woran liegt das?
Nun, uns fehlen die Köpfe. Uns fehlen die Sympathieträger, die es schaffen, die Lehmschicht der Medien zu durchdringen.
Ich möchte nicht soweit gehen, die Schuld für Erfolg oder Misserfolg unserer Wahlkampagne auf den Schultern einzelner Personen abzuladen. Aber ich möchte immerhin feststellen, dass wir es versäumt haben, Sympathieträger in die Medien zu bringen und sie dort zu halten. Wir haben davon auch nur wenige. Bei näherer Betrachtung fallen mir tatsächlich nur drei ein: Marina Weisband natürlich; daneben Christopher Lauer. Und natürlich auch Katharina Nocun, die allerdings erst zu einem Zeitpunkt "wirksam" wurde, als der mediale Hype bereits abgeflaut war und die es deshalb ungleich schwerer hatte, mediale Präsenz zu finden.
Die drögen Statements von Bernd oder Sebastian, die ab und an Eingang in die Massenmedien fanden, zählen in diesem Zusammenhang kaum. Otto Normalbürger wird sich schon einen Tag später weder an den Inhalt noch an den Namen erinnert haben.
Ende der 70-er Jahre standen die Linksalternativen in Deutschland vor einem ähnlichen Problem, das sich sehr deutlich 1977 im Deutschen Herbst offenbart hatte: Es gab kein Medium, das bereit gewesen wäre, die (durchaus berechtigten) Anliegen dieser Interessengruppe bundesweit und im Gegensatz zum herrschenden Zeitgeist der "Terroristenhatz" offensiv zu vertreten. Als Reaktion darauf wurde die taz gegründet, die bis heute eines der unabhängigsten, überregionalen Publikationsorgane dieser Republik darstellt.
Sicher, wir leben nicht mehr in den 70-er oder 80-er Jahren und die Medienlandschaft hat sich gewaltig verändert. Trotzdem stelle ich fest: Uns - den Chaoten, der digitalen Gesellschaft, den digital Natives, den Piraten - uns fehlt ein Publikationsorgan mit überregionaler Wirkung. Wir können uns dabei nicht nur auf das Internet verlassen. Die Reichweite von Blogs wie netzpolitik.org, f!xmbr oder Fefe ist offensichtlich zu begrenzt. Wir brauchen ein Medium mit echter öffentlicher Reichweite auch außerhalb unserer Filterbubble.
Wie wäre es, wenn wir eine Internet-Zeitung gründeten, die bundesweit auch als Printausgabe verfügbar ist? Neue Zahlmodelle live ausprobieren? Mal beweisen, was wir - auch an der Front - können?
Ich wär dabei.
Ab und an höre ich daher aus den Reihen meiner PIRATEN harsche Kritik an der Presse, die uns "verschweige", zumindest nicht angemessen darstelle. Das mag einerseits daran liegen, dass die PIRATEN sich gerne wichtiger fühlen, als sie es - objektiv betrachtet - sind. Zum anderen fordern PIRATEN aber eine neutrale, objektive Berichterstattung als Ziel der Medien.
Das ist natürlich nicht so. Journalismus ist nicht per se "fair". Das anzunehmen (Presse als neutral-objektive "vierte Macht" im Staate) ist eine Idealvorstellung, die meiner Meinung nach in der journalistischen Praxis nur sehr selten zutrifft.
Rob hat das auf der sächsichen Mailingliste so formuliert:
"Medien sind nicht dazu da, irgend eine Piratenpartei zu pushen oder einem Startup beim Aufschwung zu helfen! Es sind Unternehmen, deren Arbeit darin besteht, dass interessierte Kunden ihre Produkte kaufen. Und wenn Du so ein Unternehmen zu führen hast, dann musst Du bei diesen Kunden ein Interesse wecken Deine Produkte zu kaufen."
Damit trifft er genau den Kern der Sache! Der Job von Journalisten besteht nicht darin, neutral oder objektiv zu berichten. Das ist - wie oben bereits gesagt - ein Ideal, das nur sehr selten erreicht wird. Der Job eines Journalisten ist es, für den Verkauf seines Produktes zu sorgen. Diesen Job erfüllen die meisten Journalisten auch recht gut, sonst wären sie bald arbeitslos.
Ich wage mal einen kurzen Ausflug in den Bereich "Politische
Massenkommunikation". Nadja Baberowski hatte mir vor einigen Monaten ein politikwissenschaftliches Lehrbuch dazu empfohlen: "Politische Kommunikation" von Markus Rhomberg. Ich habe die Abende in meinem Urlaub Anfang des Jahres dazu genutzt, es intensiv durchzuarbeiten. Und es ist eine wirklich empfehlenswerte Lektüre, wenn man das "System" verstehen will. Ergänzt durch die Lektüre einiger anderer Quellen, bilde ich mir ein, zu dem Thema einen einigermaßen informierten Standpunkt einnehmen zu können, zumindest für einen wissenschaftlichen Laien auf dem Gebiet.
Rein statistisch betrachtet vertritt ein Bundestagsabgeordneter ca. 130.000 Bürger. Mit allen direkt zu kommunizieren, ist von vornherein völlig ausgeschlossen. Nun möchte aber ein Politiker seine politische Einstellung vertreten, sprich: "eine Botschaft rüberbringen". Das geht nur, indem er sich der Mittel der politischen Massenkommunikation bedient. Das sind zunächst Plakate und Flyer, wie sie v. a. im Wahlkampf eine Rolle spielen. Ferner - und wichtiger - sind allerdings seine Beiträge in den allgemein rezipierten Massenmedien, also Zeitungen/Magazine, Radio und vor allem Fernsehen.
Leider folgen die Medien ihrer eigenen ökonomischen Logik, die - wie gesagt - vorrangig auf den Verkauf ihrer Produkte ausgerichtet ist. Die etablierte Politik reagiert(e) darauf, indem sie sich dieser Medienökonomie anpasste: Kurze, mediengerecht aufbereitete Häppchen; ab und an eine mehr oder weniger populistische Forderung, die sich gut eignet, als Schlagzeile abgebildet zu werden. Ich nenne das mal "Polit-Theater".
Große Teile der Bevölkerung haben dieses Polit-Theater satt, da sie es als eben das durchschauen, was es ist: Öffentlichkeitsheischendes Theater. Darauf hatten die Piraten reagiert. Sie wollten dieses Spiel nicht mitspielen. Es galt "Themen statt Köpfe!".
Leider hat das nicht funktioniert, zumindest nicht in diesem
Bundestagswahlkampf. Das ging so weit, dass ich mich im Wahlkampf mit dem Vorwurf auseinandersetzen musste, wir hätten zu unserem absoluten Kernthema, nämlich der überbordenden Überwachung durch die Geheimdienste, nichts gesagt. Wir seien schweigend geblieben. Das ist natürlich nicht richtig. Auf allen Ebenen und mit unglaublich vielen Pressemeldungen und Veranstaltungen haben die PIRATEN in ganz Deutschland versucht, ihre Meinung zu diesem Thema publik zu machen.
Die Resonanz war jedoch relativ gering. Wir haben es nicht geschafft, unsere Sicht in den Massenmedien zu verbreiten.
Wir fanden in den Medien keine Präsenz - von Ausnahmen, wie der Drohne, die in Dresden zu Füßen der Kanzlerin landete, einmal abgesehen.
Woran liegt das?
Nun, uns fehlen die Köpfe. Uns fehlen die Sympathieträger, die es schaffen, die Lehmschicht der Medien zu durchdringen.
Ich möchte nicht soweit gehen, die Schuld für Erfolg oder Misserfolg unserer Wahlkampagne auf den Schultern einzelner Personen abzuladen. Aber ich möchte immerhin feststellen, dass wir es versäumt haben, Sympathieträger in die Medien zu bringen und sie dort zu halten. Wir haben davon auch nur wenige. Bei näherer Betrachtung fallen mir tatsächlich nur drei ein: Marina Weisband natürlich; daneben Christopher Lauer. Und natürlich auch Katharina Nocun, die allerdings erst zu einem Zeitpunkt "wirksam" wurde, als der mediale Hype bereits abgeflaut war und die es deshalb ungleich schwerer hatte, mediale Präsenz zu finden.
Die drögen Statements von Bernd oder Sebastian, die ab und an Eingang in die Massenmedien fanden, zählen in diesem Zusammenhang kaum. Otto Normalbürger wird sich schon einen Tag später weder an den Inhalt noch an den Namen erinnert haben.
Ende der 70-er Jahre standen die Linksalternativen in Deutschland vor einem ähnlichen Problem, das sich sehr deutlich 1977 im Deutschen Herbst offenbart hatte: Es gab kein Medium, das bereit gewesen wäre, die (durchaus berechtigten) Anliegen dieser Interessengruppe bundesweit und im Gegensatz zum herrschenden Zeitgeist der "Terroristenhatz" offensiv zu vertreten. Als Reaktion darauf wurde die taz gegründet, die bis heute eines der unabhängigsten, überregionalen Publikationsorgane dieser Republik darstellt.
Sicher, wir leben nicht mehr in den 70-er oder 80-er Jahren und die Medienlandschaft hat sich gewaltig verändert. Trotzdem stelle ich fest: Uns - den Chaoten, der digitalen Gesellschaft, den digital Natives, den Piraten - uns fehlt ein Publikationsorgan mit überregionaler Wirkung. Wir können uns dabei nicht nur auf das Internet verlassen. Die Reichweite von Blogs wie netzpolitik.org, f!xmbr oder Fefe ist offensichtlich zu begrenzt. Wir brauchen ein Medium mit echter öffentlicher Reichweite auch außerhalb unserer Filterbubble.
Wie wäre es, wenn wir eine Internet-Zeitung gründeten, die bundesweit auch als Printausgabe verfügbar ist? Neue Zahlmodelle live ausprobieren? Mal beweisen, was wir - auch an der Front - können?
Ich wär dabei.
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Mittwoch, 15. Mai 2013
Kabale ohne Liebe
hariolor, 03:02h
Liebe (und nicht so liebe) Piraten,
hier meine sehr persönliche und subjektive Sicht auf Dinge, die mich gerade bewegen.
Mit dieser Partei ist das so: Es gibt eine Handvoll Menschen, die sich den Arsch aufreißen, damit Dinge vorangehen. Die bis zur Halskrause in Arbeit stecken - und die man, weil sie ihren Job gut machen, da auch nicht mehr missen möchte. Dabei ist jeder einzelne von denen in diese Partei eingetreten, um Politik zu machen, um etwas zu bewegen. Für Politik bleibt jedoch wenig bis keine Zeit.
Ich bezweifle, dass die meisten Piraten eine Vorstellung davon haben, wie viel Zeit, Energie und Geld einige opfern, damit der Laden läuft. Parteiverwaltung, Logistikplanung, Telkos, Beratungen, etliche Wochenendeinsätze im Jahr - you name it. Zudem gehen diese Aufgaben oft - eigentlich regelmäßig - zu Lasten von Privatleben, Familie und auch Beruf.
Jetzt stell dir mal vor, du hast eine halbe Woche nahezu durchgearbeitet, Wochenende inklusive. Als du nach Haus kommst, bist du ausgebrannt. Erst einmal schlafen. Dann machst du montags deinen Rechner an und das erste, was du mitkriegst, sind Anfeindungen gegen dich. Nicht einmal öffentlich. Nicht einmal partei-relevant. Da werden Details deiner Lebensführung kritisiert, deine Beziehung oder Familie wird in den Dreck gezogen, dir wird Klüngel unterstellt, whatever. Da sammelt jemand Unterschriften gegen dich, weil er nicht einverstanden ist mit deiner Amtsführung in A oder der Art, wie du B gemacht hast. Er wendet sich aber nicht an dich, um das zu klären - nein, da wird im Hintergrund gearbeitet. Im Vordergrund sieht man höchstens Beleidigungen und Anfeindungen. Da steht abends plötzlich jemand vor deiner Tür und möchte von dir erklärt haben, wieso du dich der Verschwörung XYZ angeschlossen habest. Um es klar zu sagen: Das ist Mobbing. Es geht nicht mehr um die Sache. Es werden Menschen angegriffen, persönlich und direkt. Darunter leidet nicht nur der Angegriffene, sondern auch sein Umfeld in der Partei und im persönlichen Bereich. Kabale ohne Liebe.
Tja, wie würdest du reagieren?
So oder so ähnlich war das, denke ich, mit Jan, mit Stephan und mit vielen anderen, bei denen ich es nicht mitbekommen habe, weil sie in der Partei nicht so gut vernetzt oder nicht so bekannt waren.
Als ich heute morgen von Jans Austritt erfuhr, war ich kurz davor, es ihm nachzutun. Es gibt eine Handvoll von Menschen, die mich diese ganze Partei- und Orgascheiße überstehen lassen, weil ich sie als Freunde betrachte, nicht nur als Parteifreunde. Mit ihnen Zeit zu verbringen ist sozusagen der Ausgleich für die ganze Mühe. Jan gehört dazu, ebenso wie @d1etpunk, @tinilou, @occcu, @laprintemps und einige andere (Es soll sich niemand gedisst fühlen, wenn er nicht auf der Liste auftaucht ;)
Wenn jemand von ihnen dazu getrieben wird zu gehen, ist das für mich - und nicht nur für mich - ein persönlicher Verlust, der mich daran zweifeln lässt, ob diese Partei es wert ist, dass ich ihr so viel Anderes opfere. Ich vermute, dass ich nicht der einzige bin, dem es so geht.
Jan hat mit seinem Austritt ein Zeichen gesetzt.
Wir können es uns nicht leisten, weiterhin wertvolle, aktive Mitglieder zu verlieren. Es gilt jetzt, dafür zu sorgen, dass unsere Diskussionskultur, unser Umgang miteinander sich nachhaltig ändert.
Wir haben dafür viele Instrumente, die meisten liegen direkt in eurer eigenen Hand, in der Hand jedes einzelnen Piraten:
Tut mir, euch und den Piraten einen Gefallen:
Achtet darauf, menschlich miteinander umzugehen.
Wenn wir unseren gegenseitigen Respekt hintanstellen, sind wir nicht besser als die anderen Parteien. Und die sind so, weil es nur die Harten bis nach oben geschafft haben.
Mark
hier meine sehr persönliche und subjektive Sicht auf Dinge, die mich gerade bewegen.
Mit dieser Partei ist das so: Es gibt eine Handvoll Menschen, die sich den Arsch aufreißen, damit Dinge vorangehen. Die bis zur Halskrause in Arbeit stecken - und die man, weil sie ihren Job gut machen, da auch nicht mehr missen möchte. Dabei ist jeder einzelne von denen in diese Partei eingetreten, um Politik zu machen, um etwas zu bewegen. Für Politik bleibt jedoch wenig bis keine Zeit.
Ich bezweifle, dass die meisten Piraten eine Vorstellung davon haben, wie viel Zeit, Energie und Geld einige opfern, damit der Laden läuft. Parteiverwaltung, Logistikplanung, Telkos, Beratungen, etliche Wochenendeinsätze im Jahr - you name it. Zudem gehen diese Aufgaben oft - eigentlich regelmäßig - zu Lasten von Privatleben, Familie und auch Beruf.
Jetzt stell dir mal vor, du hast eine halbe Woche nahezu durchgearbeitet, Wochenende inklusive. Als du nach Haus kommst, bist du ausgebrannt. Erst einmal schlafen. Dann machst du montags deinen Rechner an und das erste, was du mitkriegst, sind Anfeindungen gegen dich. Nicht einmal öffentlich. Nicht einmal partei-relevant. Da werden Details deiner Lebensführung kritisiert, deine Beziehung oder Familie wird in den Dreck gezogen, dir wird Klüngel unterstellt, whatever. Da sammelt jemand Unterschriften gegen dich, weil er nicht einverstanden ist mit deiner Amtsführung in A oder der Art, wie du B gemacht hast. Er wendet sich aber nicht an dich, um das zu klären - nein, da wird im Hintergrund gearbeitet. Im Vordergrund sieht man höchstens Beleidigungen und Anfeindungen. Da steht abends plötzlich jemand vor deiner Tür und möchte von dir erklärt haben, wieso du dich der Verschwörung XYZ angeschlossen habest. Um es klar zu sagen: Das ist Mobbing. Es geht nicht mehr um die Sache. Es werden Menschen angegriffen, persönlich und direkt. Darunter leidet nicht nur der Angegriffene, sondern auch sein Umfeld in der Partei und im persönlichen Bereich. Kabale ohne Liebe.
Tja, wie würdest du reagieren?
So oder so ähnlich war das, denke ich, mit Jan, mit Stephan und mit vielen anderen, bei denen ich es nicht mitbekommen habe, weil sie in der Partei nicht so gut vernetzt oder nicht so bekannt waren.
- am 14.5.13 ist Jan Leutert ausgetreten
- am 14.4.13 ist Stephan Urbach ausgetreten
- Enno Park ist mehrfach aus- und eingetreten seit Ende 2012
- im Oktober 2012 ist Julia Schramm nach vielfachen Anfeindungen vom Bundesvorstand zurückgetreten
- Kai Grünler ist in Sachsen (kurzzeitig) ausgetreten: Anfeindungen gegen seine Familie
- Lupino ist in Sachsen ausgetreten: Querelen im KV Leipzig mit dem #pornotar (EDIT: Lupino hat was zu seinen Austrittsgründen geschrieben)
- ... (es gibt Dutzende Fälle, ich kenne bei weitem nicht alle)
Als ich heute morgen von Jans Austritt erfuhr, war ich kurz davor, es ihm nachzutun. Es gibt eine Handvoll von Menschen, die mich diese ganze Partei- und Orgascheiße überstehen lassen, weil ich sie als Freunde betrachte, nicht nur als Parteifreunde. Mit ihnen Zeit zu verbringen ist sozusagen der Ausgleich für die ganze Mühe. Jan gehört dazu, ebenso wie @d1etpunk, @tinilou, @occcu, @laprintemps und einige andere (Es soll sich niemand gedisst fühlen, wenn er nicht auf der Liste auftaucht ;)
Wenn jemand von ihnen dazu getrieben wird zu gehen, ist das für mich - und nicht nur für mich - ein persönlicher Verlust, der mich daran zweifeln lässt, ob diese Partei es wert ist, dass ich ihr so viel Anderes opfere. Ich vermute, dass ich nicht der einzige bin, dem es so geht.
Jan hat mit seinem Austritt ein Zeichen gesetzt.
Wir können es uns nicht leisten, weiterhin wertvolle, aktive Mitglieder zu verlieren. Es gilt jetzt, dafür zu sorgen, dass unsere Diskussionskultur, unser Umgang miteinander sich nachhaltig ändert.
Wir haben dafür viele Instrumente, die meisten liegen direkt in eurer eigenen Hand, in der Hand jedes einzelnen Piraten:
- Wenn jemand einen anderen dauerhaft direkt beleidigt:
Widersprecht ihm, weist ihn darauf hin, anschließend entfolgt/blockt ihn - Wenn jemand dauerhaft eure Medien mit unerwünschten Inhalten bespammt: Moderiert ihn, blockt ihn.
- Wenn jemand dauerhaft stört, andere persönlich angreift: Beantragt eine OM beim zuständigen Vorstand, macht es öffentlich, eskaliert es.
Tut mir, euch und den Piraten einen Gefallen:
Achtet darauf, menschlich miteinander umzugehen.
Wenn wir unseren gegenseitigen Respekt hintanstellen, sind wir nicht besser als die anderen Parteien. Und die sind so, weil es nur die Harten bis nach oben geschafft haben.
Mark
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Montag, 21. Januar 2013
Motivation (Gastbeitrag von ErzTsuga)
erztsuga, 00:50h
Hallo liebe Piraten,
ich muss mal ein ernstes Wörtchen mit euch reden!
Die Piraten in Niedersachsen haben sich den Arsch aufgerissen im Wahlkampf bei der Kälte, konnten aber nicht gegen den ganzen Mist aus den letzten Monaten ankommen.
Es wird sich zerfleischt, es gibt Intrigen, es gibt Karrieristen, die alles tun, um nach vorn zu kommen, und selbst vor gerichtlichen Sachen nicht zurückschrecken. Das alles selbstverständlich nicht bzw. nicht nur in Niedersachsen, aber die Bürger bekommen es mit und denken sich ihren Teil.
Natürlich gab es auch Einiges, was gut lief; das Problem ist nur, dass es von dem ganzen Scheiß überschattet wurde und nicht zu den Bürgern durchgedrungen ist. Klar kann man jetzt den Medien die Schuld geben, aber mal ehrlich - wir wissen doch, wie sie ticken und dass sie so reagieren.
Egal, weg von den Medien.
DIE FEHLER LIEGEN BEI UNS ALS PARTEI!!!!!einselfdrölf!1!
Wir schaffen es nicht, den Trittbrettfahrern in unseren Reihen den Kampf anzusagen, wir schaffen es nicht mehr zu vermitteln, was wir wirklich wollen.
Wir "stärken" unser Programm mit Allerweltskram, den jede Partei bei sich stehen hat. Wann differenzieren wir uns endlich wieder? Wann werden wir wieder DIE Piraten, die neue Wege gehen, die politisch bisher unangetastete Bereiche und ungedachte Wege und Lösungen suchen und verfolgen!? Wann werden wir wieder mutiger mit unserem Programm? Warum verfolgen viele nicht mehr den gemeinsamen Weg, sondern nur noch ihren eigenen? Und noch wichtiger - warum schaffen wir es nicht, diese Alleingänger einzudämmen, zu ignorieren oder abblitzen zu lassen?
Das Projekt www.piraten-wirken.de ist grandios, wenn sich genügend daran beteiligen. Wir müssen den Bürgern zeigen, dass ihre Ängste und Meinungen á la "Ihr passt euch doch eh nur an.", "Das System vereinnahmt euch eh schnell wieder, wie bei den Grünen." , .... etc.pp. unbegründet sind. Wir haben schon so viel geschafft und wir sind immer noch authentisch und halten was wir versprechen.
Kaum ein Bürger weiß, dass etwa 98% der Piraten-Landtagsabgeordneten ihre Nebeneinkünfte offen legen, wie es auch versprochen wurde.
Kaum einer weiß, dass wir unserem Transparenzwillen im politischen Handeln nachkommen, alle Sitzungen öffentlich führen, die Protokolle öffentlich sind, es Aufzeichnungen gibt etc. und wir eben KEINE Hinterzimmerpolitik verfolgen.
Kaum ein Bürger weiß, dass wir eben wirklich alle Daten zu BER offen legen, damit jeder Bürger sich einbringen kann.
Die Hamburger Transparenzsatzung und und und!
Ich könnte ewig so weiter machen, aber ihr wisst selbst, was wir schon erreicht haben.
Und genau da ist unser Problem!
Wir alle wissen es und können nicht verstehen, warum man uns nicht bei der Wahl ankreuzt.
Wir vermitteln es zu wenig und dürfen dabei eben nicht nur auf die Medien vertrauen.
Ein Programm ist unwichtig, wenn die Bürger weiterhin denken, dass wir es eh nicht umsetzen, also müssen wir beweisen dass wir es da tun, wo wir schon die Möglichkeiten haben und das eben nicht nur online, sondern auch offline!
Also Leute, wir wissen, dass wir geile Politik machen!
Wir wissen, dass wir auch halten, was wir versprechen und nicht nur leeres Politikersprech machen, wie bei den anderen Parteien! Lasst uns den Kopf oben tragen, lasst uns wieder zeigen, warum wir den ganzen Mist machen, warum wir uns den Stress antun.
Wir wollen etwas verändern in der deutschen Politik! Wir wollen dem Bürger mehr Macht und Einsicht über die politischen Belange des Staates geben.
Wir wollen, dass es ALLEN Menschen in Deutschland gut geht!
Ach Mensch, ihr wisst was wir wollen!
KEINE MACHTHUNGRIGEN SCHLIPSTRÄGER MIT NULL AHNUNG VON NICHTS!!!
Ehrliche, authentische Politik für den Bürger und ein besseres Miteinander!
Ärmel hoch krempeln und den Menschen diese Ziele und unsere Glaubwürdigkeit wieder zeigen und aufhören mit sinnlosen Kleinkriegen, vor allem, wenn alle das Gleiche wollen!
Lasst uns einen geilen Wahlkampf machen!
ich muss mal ein ernstes Wörtchen mit euch reden!
Die Piraten in Niedersachsen haben sich den Arsch aufgerissen im Wahlkampf bei der Kälte, konnten aber nicht gegen den ganzen Mist aus den letzten Monaten ankommen.
Es wird sich zerfleischt, es gibt Intrigen, es gibt Karrieristen, die alles tun, um nach vorn zu kommen, und selbst vor gerichtlichen Sachen nicht zurückschrecken. Das alles selbstverständlich nicht bzw. nicht nur in Niedersachsen, aber die Bürger bekommen es mit und denken sich ihren Teil.
Natürlich gab es auch Einiges, was gut lief; das Problem ist nur, dass es von dem ganzen Scheiß überschattet wurde und nicht zu den Bürgern durchgedrungen ist. Klar kann man jetzt den Medien die Schuld geben, aber mal ehrlich - wir wissen doch, wie sie ticken und dass sie so reagieren.
Egal, weg von den Medien.
DIE FEHLER LIEGEN BEI UNS ALS PARTEI!!!!!einselfdrölf!1!
Wir schaffen es nicht, den Trittbrettfahrern in unseren Reihen den Kampf anzusagen, wir schaffen es nicht mehr zu vermitteln, was wir wirklich wollen.
Wir "stärken" unser Programm mit Allerweltskram, den jede Partei bei sich stehen hat. Wann differenzieren wir uns endlich wieder? Wann werden wir wieder DIE Piraten, die neue Wege gehen, die politisch bisher unangetastete Bereiche und ungedachte Wege und Lösungen suchen und verfolgen!? Wann werden wir wieder mutiger mit unserem Programm? Warum verfolgen viele nicht mehr den gemeinsamen Weg, sondern nur noch ihren eigenen? Und noch wichtiger - warum schaffen wir es nicht, diese Alleingänger einzudämmen, zu ignorieren oder abblitzen zu lassen?
Das Projekt www.piraten-wirken.de ist grandios, wenn sich genügend daran beteiligen. Wir müssen den Bürgern zeigen, dass ihre Ängste und Meinungen á la "Ihr passt euch doch eh nur an.", "Das System vereinnahmt euch eh schnell wieder, wie bei den Grünen." , .... etc.pp. unbegründet sind. Wir haben schon so viel geschafft und wir sind immer noch authentisch und halten was wir versprechen.
Kaum ein Bürger weiß, dass etwa 98% der Piraten-Landtagsabgeordneten ihre Nebeneinkünfte offen legen, wie es auch versprochen wurde.
Kaum einer weiß, dass wir unserem Transparenzwillen im politischen Handeln nachkommen, alle Sitzungen öffentlich führen, die Protokolle öffentlich sind, es Aufzeichnungen gibt etc. und wir eben KEINE Hinterzimmerpolitik verfolgen.
Kaum ein Bürger weiß, dass wir eben wirklich alle Daten zu BER offen legen, damit jeder Bürger sich einbringen kann.
Die Hamburger Transparenzsatzung und und und!
Ich könnte ewig so weiter machen, aber ihr wisst selbst, was wir schon erreicht haben.
Und genau da ist unser Problem!
Wir alle wissen es und können nicht verstehen, warum man uns nicht bei der Wahl ankreuzt.
Wir vermitteln es zu wenig und dürfen dabei eben nicht nur auf die Medien vertrauen.
Ein Programm ist unwichtig, wenn die Bürger weiterhin denken, dass wir es eh nicht umsetzen, also müssen wir beweisen dass wir es da tun, wo wir schon die Möglichkeiten haben und das eben nicht nur online, sondern auch offline!
Also Leute, wir wissen, dass wir geile Politik machen!
Wir wissen, dass wir auch halten, was wir versprechen und nicht nur leeres Politikersprech machen, wie bei den anderen Parteien! Lasst uns den Kopf oben tragen, lasst uns wieder zeigen, warum wir den ganzen Mist machen, warum wir uns den Stress antun.
Wir wollen etwas verändern in der deutschen Politik! Wir wollen dem Bürger mehr Macht und Einsicht über die politischen Belange des Staates geben.
Wir wollen, dass es ALLEN Menschen in Deutschland gut geht!
Ach Mensch, ihr wisst was wir wollen!
KEINE MACHTHUNGRIGEN SCHLIPSTRÄGER MIT NULL AHNUNG VON NICHTS!!!
Ehrliche, authentische Politik für den Bürger und ein besseres Miteinander!
Ärmel hoch krempeln und den Menschen diese Ziele und unsere Glaubwürdigkeit wieder zeigen und aufhören mit sinnlosen Kleinkriegen, vor allem, wenn alle das Gleiche wollen!
Lasst uns einen geilen Wahlkampf machen!
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Mittwoch, 16. Januar 2013
Das Wahlverfahren bei der #BlaSN
hariolor, 17:07h
Am 12. Januar wählten die sächsischen Piraten die Landesliste für die anstehende Bundestagswahl. Dass es den sächsichen Piraten mit diesem Verfahren gelang, in einer einzigen Wahlrunde erfolgreich 14 Listenplätze zu besetzen, fand unter den Piraten bundesweit Beachtung. Bei vergangenen Listenaufstellungen zu Landtags- oder Bundestagswahlen in anderen Bundesländern waren mehrfach etliche Wahlgänge nötig, um die Listen zu wählen.
Das Verfahren
In Sachsen verwendeten wir ein Zustimmungswahlverfahren (Approval) mit Wichtung. Das bedeutet: Jeder Wähler hat eine Nein- und eine Ja-Stimme, wobei die Ja-Stimme mit 0 bis 6 Wichtungspunkten versehen ist. Eine aktive Enthaltung sieht das Verfahren nicht vor, doch dazu weiter unten mehr.
So sahen die Stimmzettel aus:
Die Auswertung erfolgt zweistufig: Es wird zunächst geprüft, welche Kandidaten das 50%-Quorum erfüllt haben, also welcher Kandidat auf mehr als der Hälfte der abgegebenen, gültigen Stimmzettel ein Ja erhält. Die Wichtungspunkte spielen hierfür noch keine Rolle. Diejenigen Kandidaten, die das 50%-Quorum erfüllen, sind auf der Liste.
In einem zweiten Schritt werden dann für die verbleibenden Kandidaten die Wichtungspunkte aufsummiert. Die Liste ergibt sich somit aus den Kandidaten, die das Quorum erfüllt haben in der Reihenfolge der für sie vergebenen Wichtungspunkte. Bei Punktegleichstand erfolgt eine Stichwahl unter diesen Kandidaten. Für den Fall, dass bei einer Stichwahl erneut gleich viele Stimmen vergeben werden, entscheidet das Los.
Ein paar Hintergründe zu den Ideen, von denen wir uns beim Entwurf des Wahlverfahrens leiten ließen:
(1) Der Sinn der Wichtung
Wir (d. h. die Gruppe von Piraten innerhalb der AG Wahlen Sachsen, die das Verfahren entwickelten) waren uns der Tatsache bewusst, dass viele Menschen de facto taktisch wählen, also ihren Favoriten eine Stimme geben und den restlichen Kandidaten nicht. Bei einem herkömmlichen Approval ohne Wichtung führt das oft dazu, dass in einem Wahlgang nur wenige Leute das geforderte Quorum überschreiten. Um bei einer Listenwahl eine bestimmte Anzahl an Kandidaten zu wählen, sind daher i. d. R. mehrere Wahlgänge erforderlich, was das Verfahren in die Länge zieht. Genau das war ja in mehreren Fällen bei Listenaufstellungen der Piraten schon zu beobachten. Daher schlug Manfred Stöckert, der die ursprüngliche Idee zu dem jetzt verwendeten Verfahren hatte, die Einführung der Wichtung vor.
Dadurch wird es möglich, taktisch zu wählen: Nur diejenigen Kandidaten, die man auf keinen Fall auf der Liste sehen will erhalten ein "Nein". Einem Kandidaten, der nicht zum engeren Favoritenkreis gehört, den man aber auch nicht absolut ablehnt, kann man eine Ja-Stimme mit 0 Punkten geben. Das Quorum wird durch ein solches Votum nicht "beschädigt"; den Wählerwillen drückt man über die vergebene Punktzahl aus.
(2) Die Spreizung der Wichtungspunkte
Die Spreizung der Wichtungspunkte macht es weniger wahrscheinlich, dass zwei Kandidaten nach der Wahl gleiche Punktzahlen haben und eine Stichwahl nötig wird. Außerdem stehen dem Wähler damit mehr Bewertungsstufen zur Verfügung als das binäre Ja/Nein bei einer reinen Zustimmungswahl. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Wähler überdurchschnittlich oft 0, 3 oder 6 Punkte vergeben. Man hätte also mit einem Verfahren, das nur eine Spreizung von 0 bis 3 Wichtungspunkten vorsieht, wahrscheinlich fast das gleiche Ergebnis erzielt. Gleichzeitig verringert eine etwas geringere Spreizung auch die Gefahr einer "Übernahme", wie sie weiter unten geschildert wird.
(3) Keine aktive Enthaltung
Eine Enthaltung ist eine verdeckte Nein-Stimme. Zur Erfüllung des Quorums sind >50% Zustimmung gefordert. Eine Enthaltung wirkte sich also genauso wie ein direktes Nein negativ für den Kandidaten aus. Da wir davon ausgingen, dass das nicht jedem Wähler bewusst ist, wollten wir in unserem Verfahren mehr Klarheit schaffen. Das unten stehende Bild verdeutlicht die Gleichsetzung von Nein-Stimmen und Enthaltungen noch einmal: 30 Nein-Stimmen und 30 Enthaltungen ergeben zusammen 60%. Der Kandidat hat mit 40 Ja-Stimmen das Quorum von 50 Stimmen verfehlt.
Das Verfahren wurde im Vorfeld unserer AV heftig diskutiert; ich persönlich erhielt mehrere Anrufe, die mich davor warnten, es einzusetzen - was nicht ging, da es bei uns in der Satzung steht und schon im September auf einem LPT verabschiedet worden war.
Um Irritationen zu vermeiden, ist es notwendig, das Wahlverfahren rechtzeitig vorzustellen und zu diskutieren. Es empfiehlt sich auch, es unmittelbar vor einer Wahl noch einmal sorgfältig zu erklären. Man kann es dann auch auf die kurze Formel bringen In jeder Zeile genau ein Kreuz!
Nachteile des Verfahrens
Das Verfahren hat allerdings auch Nachteile, die ich nicht verschweigen möchte:
(1) Die Auswertung ist - nicht zuletzt aufgrund der großen Spreizung der Wichtungspunkte - komplexer und vor allem langwieriger als bei anderen Verfahren. Bei der #BlaSN hat das Wahlleiterteam bei 24 Kandidaten und 153 Abstimmenden zur sorgfältigen Auswertung mehrere Stunden gebraucht.
(2) Das Verfahren birgt das Risiko einer Übernahme durch eine entschlossene Wählergruppe. Andreas Romeyke hat das in einem Blogbeitrag ausführlich erläutert. Ich möchte es ebenfalls durch ein kurzes Beispiel verdeutlichen:
Gehen wir von 120 Stimmberechtigten aus. Wenn 40 davon das Verfahren "übertaktisch" anwenden, indem sie einem Kandidaten A 6 Punkte geben und allen anderen Kandidaten ein Nein, dann passiert folgendes. Kandidat A erhält von der Gruppe entschlossener Wähler 6 * 40, also 240 Stimmen.
Wenn wir nun weiterhin annehmen, dass die restlichen 80 Wähler in einem statistischen Mittel wählen, dann erhält jeder Kandidat im Schnitt 3 Punkte von
einem Wähler dieser Gruppe. Das macht 3 * 80, also 240 Punkte für jeden Kandidaten. Damit hätte Kandidat A 480 Punkte, während alle anderen Kandidaten nur 240 Punkte erhalten. Die entschlossene Wählergruppe hätte das verfahren also zu ihren Gunsten ausgenutzt.
Am besten kann man unliebsamen Überraschungen begegnen, indem man möglichst viele Abstimmende auf einer Versammlung zusammenbringt, da es dann für eine einzelne Gruppe schwerer wird, das Ergebnis zu beeinflussen.
Anders gesagt: Das mit der Schwarmintelligenz funktioniert am besten, wenn der Schwarm auch da ist.
(Anmerkung zur Kommentarfunktion: Man kann bei blogger.de nur kommentieren, wenn man sich dort registriert. Ist leider so und ich kann das auch nicht ändern. Wenn ihr das nicht wollt, aber trotzdem kommentieren möchtet oder Fragen habt, schickt mir das per Mail an neismark{ätt}piraten-sachsen{punkt}de, ich veröffentliche es dann als Update an dieser Stelle.)
Das Verfahren
In Sachsen verwendeten wir ein Zustimmungswahlverfahren (Approval) mit Wichtung. Das bedeutet: Jeder Wähler hat eine Nein- und eine Ja-Stimme, wobei die Ja-Stimme mit 0 bis 6 Wichtungspunkten versehen ist. Eine aktive Enthaltung sieht das Verfahren nicht vor, doch dazu weiter unten mehr.
So sahen die Stimmzettel aus:
Die Auswertung erfolgt zweistufig: Es wird zunächst geprüft, welche Kandidaten das 50%-Quorum erfüllt haben, also welcher Kandidat auf mehr als der Hälfte der abgegebenen, gültigen Stimmzettel ein Ja erhält. Die Wichtungspunkte spielen hierfür noch keine Rolle. Diejenigen Kandidaten, die das 50%-Quorum erfüllen, sind auf der Liste.
In einem zweiten Schritt werden dann für die verbleibenden Kandidaten die Wichtungspunkte aufsummiert. Die Liste ergibt sich somit aus den Kandidaten, die das Quorum erfüllt haben in der Reihenfolge der für sie vergebenen Wichtungspunkte. Bei Punktegleichstand erfolgt eine Stichwahl unter diesen Kandidaten. Für den Fall, dass bei einer Stichwahl erneut gleich viele Stimmen vergeben werden, entscheidet das Los.
Ein paar Hintergründe zu den Ideen, von denen wir uns beim Entwurf des Wahlverfahrens leiten ließen:
(1) Der Sinn der Wichtung
Wir (d. h. die Gruppe von Piraten innerhalb der AG Wahlen Sachsen, die das Verfahren entwickelten) waren uns der Tatsache bewusst, dass viele Menschen de facto taktisch wählen, also ihren Favoriten eine Stimme geben und den restlichen Kandidaten nicht. Bei einem herkömmlichen Approval ohne Wichtung führt das oft dazu, dass in einem Wahlgang nur wenige Leute das geforderte Quorum überschreiten. Um bei einer Listenwahl eine bestimmte Anzahl an Kandidaten zu wählen, sind daher i. d. R. mehrere Wahlgänge erforderlich, was das Verfahren in die Länge zieht. Genau das war ja in mehreren Fällen bei Listenaufstellungen der Piraten schon zu beobachten. Daher schlug Manfred Stöckert, der die ursprüngliche Idee zu dem jetzt verwendeten Verfahren hatte, die Einführung der Wichtung vor.
Dadurch wird es möglich, taktisch zu wählen: Nur diejenigen Kandidaten, die man auf keinen Fall auf der Liste sehen will erhalten ein "Nein". Einem Kandidaten, der nicht zum engeren Favoritenkreis gehört, den man aber auch nicht absolut ablehnt, kann man eine Ja-Stimme mit 0 Punkten geben. Das Quorum wird durch ein solches Votum nicht "beschädigt"; den Wählerwillen drückt man über die vergebene Punktzahl aus.
(2) Die Spreizung der Wichtungspunkte
Die Spreizung der Wichtungspunkte macht es weniger wahrscheinlich, dass zwei Kandidaten nach der Wahl gleiche Punktzahlen haben und eine Stichwahl nötig wird. Außerdem stehen dem Wähler damit mehr Bewertungsstufen zur Verfügung als das binäre Ja/Nein bei einer reinen Zustimmungswahl. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Wähler überdurchschnittlich oft 0, 3 oder 6 Punkte vergeben. Man hätte also mit einem Verfahren, das nur eine Spreizung von 0 bis 3 Wichtungspunkten vorsieht, wahrscheinlich fast das gleiche Ergebnis erzielt. Gleichzeitig verringert eine etwas geringere Spreizung auch die Gefahr einer "Übernahme", wie sie weiter unten geschildert wird.
(3) Keine aktive Enthaltung
Eine Enthaltung ist eine verdeckte Nein-Stimme. Zur Erfüllung des Quorums sind >50% Zustimmung gefordert. Eine Enthaltung wirkte sich also genauso wie ein direktes Nein negativ für den Kandidaten aus. Da wir davon ausgingen, dass das nicht jedem Wähler bewusst ist, wollten wir in unserem Verfahren mehr Klarheit schaffen. Das unten stehende Bild verdeutlicht die Gleichsetzung von Nein-Stimmen und Enthaltungen noch einmal: 30 Nein-Stimmen und 30 Enthaltungen ergeben zusammen 60%. Der Kandidat hat mit 40 Ja-Stimmen das Quorum von 50 Stimmen verfehlt.
Das Verfahren wurde im Vorfeld unserer AV heftig diskutiert; ich persönlich erhielt mehrere Anrufe, die mich davor warnten, es einzusetzen - was nicht ging, da es bei uns in der Satzung steht und schon im September auf einem LPT verabschiedet worden war.
Um Irritationen zu vermeiden, ist es notwendig, das Wahlverfahren rechtzeitig vorzustellen und zu diskutieren. Es empfiehlt sich auch, es unmittelbar vor einer Wahl noch einmal sorgfältig zu erklären. Man kann es dann auch auf die kurze Formel bringen In jeder Zeile genau ein Kreuz!
Nachteile des Verfahrens
Das Verfahren hat allerdings auch Nachteile, die ich nicht verschweigen möchte:
(1) Die Auswertung ist - nicht zuletzt aufgrund der großen Spreizung der Wichtungspunkte - komplexer und vor allem langwieriger als bei anderen Verfahren. Bei der #BlaSN hat das Wahlleiterteam bei 24 Kandidaten und 153 Abstimmenden zur sorgfältigen Auswertung mehrere Stunden gebraucht.
(2) Das Verfahren birgt das Risiko einer Übernahme durch eine entschlossene Wählergruppe. Andreas Romeyke hat das in einem Blogbeitrag ausführlich erläutert. Ich möchte es ebenfalls durch ein kurzes Beispiel verdeutlichen:
Gehen wir von 120 Stimmberechtigten aus. Wenn 40 davon das Verfahren "übertaktisch" anwenden, indem sie einem Kandidaten A 6 Punkte geben und allen anderen Kandidaten ein Nein, dann passiert folgendes. Kandidat A erhält von der Gruppe entschlossener Wähler 6 * 40, also 240 Stimmen.
Wenn wir nun weiterhin annehmen, dass die restlichen 80 Wähler in einem statistischen Mittel wählen, dann erhält jeder Kandidat im Schnitt 3 Punkte von
einem Wähler dieser Gruppe. Das macht 3 * 80, also 240 Punkte für jeden Kandidaten. Damit hätte Kandidat A 480 Punkte, während alle anderen Kandidaten nur 240 Punkte erhalten. Die entschlossene Wählergruppe hätte das verfahren also zu ihren Gunsten ausgenutzt.
Am besten kann man unliebsamen Überraschungen begegnen, indem man möglichst viele Abstimmende auf einer Versammlung zusammenbringt, da es dann für eine einzelne Gruppe schwerer wird, das Ergebnis zu beeinflussen.
Anders gesagt: Das mit der Schwarmintelligenz funktioniert am besten, wenn der Schwarm auch da ist.
(Anmerkung zur Kommentarfunktion: Man kann bei blogger.de nur kommentieren, wenn man sich dort registriert. Ist leider so und ich kann das auch nicht ändern. Wenn ihr das nicht wollt, aber trotzdem kommentieren möchtet oder Fragen habt, schickt mir das per Mail an neismark{ätt}piraten-sachsen{punkt}de, ich veröffentliche es dann als Update an dieser Stelle.)
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