Freitag, 21. Februar 2014
#Orgastreik
tl;dr
Einigermaßen ungeordnete Gedanken dazu, weshalb ich bereit war, den #Orgastreik zu unterstützen. Den "Streiktext" habe ich btw. nochmal unter http://hariolor.blogger.de/stories/2377737 verlinkt.

So. Der Shitstorm läuft. Aber das wusste ich vorher; ich wusste es in dem Moment, in dem ich meinen Namen unter den Text setzte. Ich hatte auch eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob ich das tun sollte. Und mich dann trotz einiger Bedenken dafür entschieden. Warum - und wie kam es?


Ich bin seit 2009 in dieser Partei und habe die ein oder andere Orga-Aufgabe übernommen, und das gerne. Allerdings ist diese Partei in den letzten paar Monaten in eine Schieflage geraten. Die große
Eintrittswelle von 2011 hätte meiner Meinung nach eine Debatte über die Ausrichtung dieser Partei erfordert - das fand jedoch nicht statt, was uns jetzt auf die Füße fällt. An einzelnen Symbolen wie einer Fahne oder einer (in meinen Augen ziemlich dämlichen) Aktion mit nackten Brüsten entzündet sich ein Streit, der eigentlich viel tiefer geht. Eigentlich geht es um einen Richtungsstreit in dieser Partei. Der kann aber nicht geführt werden, solange der Umgang vieler Piraten miteinander einfach unterirdisch ist - und das wurde in den letzten Wochen zunehmend zum Problem.

Ich habe mit Piraten gesprochen, die nach jahrelangem Tolerieren wütend austraten. Ich habe mit Piraten telefoniert, denen so viel Scheiße entgegengeschleudert wurde, dass sie am Telefon in Tränen ausbrachen; ich habe oft genug von Nazi-Vorwürfen gelesen; andererseits wurden aber auch Menschen als "Antifa" geoutet - was gegenüber einer aktiven rechten Szene für diese Menschen sehr gefährlich werden kann. In der rechten Szene wurde offen dazu aufgerufen, das Büro von Fabio Reinhardt und Oliver Höfinghoff bei der Eröffnung zu "besuchen", ohne dass es dazu aus der Partei eine deutliche Reaktion gegeben hätte. Kurz: Beide Seiten nahmen sich nichts, wenn es darum ging, die jeweils anderen zu beschimpfen, zu diffamieren und fertigzumachen. Die Eskalation war bereits sehr weit fortgeschritten, wahrscheinlich weiter als jemals vorher bei den Piraten.

Ich hatte nach Bochum versucht, mit einigen anderen eine Gegeninitiative zu starten; ein Forum für eine Debatte zu finden, dass es erlauben würde, die Energie in konstruktivere Bahnen zu lenken. Der BuVor hätte es unterstützt, auch mit finanziellen Mitteln. Allein: Ich fand nicht genug Piraten, die bereit gewesen wären, so etwas mit vorzubereiten oder zu planen. Dann kam Dresden und alles wurde noch schlimmer. Ich begann, mir ernsthaft Gedanken über den Fortbestand dieser Partei zu machen - ein Projekt, in das ich in den letzten Jahren viel Zeit, Energie und Geld gesteckt hatte und das mir sehr wichtig ist.

Viele aktive, wichtige Piraten sind in den letzten Tagen ausgetreten; über die Gründe möchte ich mich hier nicht auslassen, nur soviel: Einigen ging die "linke" Positionierung, die sie wahrzunehmen glaubten, zu weit. Andere hatten sich schon länger mit dem Gedanken getragen und die Art und der Ton, wie die Diskussionen der letzten Wochen geführt wurden, waren der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mein Eindruck dazu war und ist: Wenn sich dieser Prozess fortsetzt, dann wird diese Partei in absehbarer Zeit scheitern.

Leider stehe ich dabei zwischen allen Stühlen. Ich kenne und schätze Piraten in beiden "Lagern"; niemand hat es verdient, sich als Nazi beschimpfen zu lassen, weil er nicht die Meinung des linken Flügels teilt. Andererseits wollte ich mich keinesfalls dem Bashing von Julia Schramm oder Anne Helm anschließen, im Gegenteil - sie verdienen unsere Solidarität bei all dem, was ihnen in den letzten Tagen begegnet ist. Es gibt keinen Grund, sie nicht mit Respekt zu behandeln, nur weil man ihre politischen Standpunkte nicht teilt.

In Gesprächen mit etlichen anderen Piraten begegnete mir Ratlosigkeit, was denn zu tun sei, und das Gefühl, dass die Partei gerade mit Vollgas Richtung Wand fährt. Dann wurde ich angesprochen, ob ich mich an einer Aktion einiger IT- und Orga-Piraten beteiligen möchte, die sich entschieden hatten, ein deutliches Zeichen zu setzen.

Ich war hin- und hergerissen. Der Text, der als Entwurf vorlag, war mir persönlich zu sehr auf Distanzierung aus und betonte zu sehr die "liberale" Seite. Mir war klar, dass ich damit einigen derjenigen Menschen in dieser Partei auf die Füße treten würde, die mir wichtig sind oder deren Arbeit ich sehr schätze. Andererseits hielt ich den geplanten #Orgastreik als Warnung an diese Partei, sich endlich zusammenzureißen und wieder menschlich miteinander umzugehen, für eine Maßnahme, deren Deutlichkeit der Situation angemessen war. Um fünf vor zwölf macht es wenig Sinn, noch einen offenen Brief zu veröffentlichen.

Wir - einige Orga- und IT-Piraten, haben ein radikales und vielleicht das letzte Mittel gewählt, das uns blieb. Wir tun das nicht aus einer Machtposition oder um irgendjemanden zu erpressen. Es ist unser Versuch, um diese Partei zu kämpfen. Der mag geglückt sein oder auch nicht. Es ist ein Stück weit Verzweiflung. Weil wir nicht wissen, was wir sonst noch tun sollen, damit ihr erkennt, dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben.

@d1etpunk - im übrigen ein guter Freund - hat u. a. mich heute in einem Tweet mit Eichmann gleichgesetzt... Ach, egal. Sein Zorn sei ihm verziehen. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch gerne alle an mir abreagieren. Hauptsache ihr seid hinterher wieder menschlich und konstruktiv. Genau das war nämlich das Ziel der Aktion heute.

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Danke!
Ich danke dir und allen Beteiligten am #orgastreik. Ich hatte meinen Austritt schon geschrieben und wollte nur nochmal eine Nacht drüber schlafen. Dann kam der #orgastreik, der hat mir gezeigt es gibt noch Leute in der Partei die nicht aufgegeben haben und die Kraft zum kämpfen haben, ich hatte sie schon lange nicht nicht mehr.
Leider sehe ich nicht das sich an der momentanen Situation in der Partei etwas grundlegend ändert. Ich hoffe zwar das ich mich täusche, glaub es aber nicht wirklich, dazu sind die Gräben schon zu tief und wurde zuviel schon kaputt gemacht.
Danke nochmal an alle Beteiligten für die aufkommende Hoffnung. <3

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