... newer stories
Freitag, 4. Oktober 2013
Die Piraten und die Medien - Versuch einer Bestandsaufnahme
hariolor, 04:19h
Das Ergebnis der Bundestagswahl war ernüchternd. Nach einem Höhenflug, der den PIRATEN den Einzug in vier Landesparlamente bescherte, sanken die Umfragewerte stetig. Das Ergebnis der Bundestagswahl 2013 lag nur marginal über dem der Bundestagswahl 2009 - und dabei hatte Sachsen sich diesmal ebenfalls beteiligt.
Ab und an höre ich daher aus den Reihen meiner PIRATEN harsche Kritik an der Presse, die uns "verschweige", zumindest nicht angemessen darstelle. Das mag einerseits daran liegen, dass die PIRATEN sich gerne wichtiger fühlen, als sie es - objektiv betrachtet - sind. Zum anderen fordern PIRATEN aber eine neutrale, objektive Berichterstattung als Ziel der Medien.
Das ist natürlich nicht so. Journalismus ist nicht per se "fair". Das anzunehmen (Presse als neutral-objektive "vierte Macht" im Staate) ist eine Idealvorstellung, die meiner Meinung nach in der journalistischen Praxis nur sehr selten zutrifft.
Rob hat das auf der sächsichen Mailingliste so formuliert:
"Medien sind nicht dazu da, irgend eine Piratenpartei zu pushen oder einem Startup beim Aufschwung zu helfen! Es sind Unternehmen, deren Arbeit darin besteht, dass interessierte Kunden ihre Produkte kaufen. Und wenn Du so ein Unternehmen zu führen hast, dann musst Du bei diesen Kunden ein Interesse wecken Deine Produkte zu kaufen."
Damit trifft er genau den Kern der Sache! Der Job von Journalisten besteht nicht darin, neutral oder objektiv zu berichten. Das ist - wie oben bereits gesagt - ein Ideal, das nur sehr selten erreicht wird. Der Job eines Journalisten ist es, für den Verkauf seines Produktes zu sorgen. Diesen Job erfüllen die meisten Journalisten auch recht gut, sonst wären sie bald arbeitslos.
Ich wage mal einen kurzen Ausflug in den Bereich "Politische
Massenkommunikation". Nadja Baberowski hatte mir vor einigen Monaten ein politikwissenschaftliches Lehrbuch dazu empfohlen: "Politische Kommunikation" von Markus Rhomberg. Ich habe die Abende in meinem Urlaub Anfang des Jahres dazu genutzt, es intensiv durchzuarbeiten. Und es ist eine wirklich empfehlenswerte Lektüre, wenn man das "System" verstehen will. Ergänzt durch die Lektüre einiger anderer Quellen, bilde ich mir ein, zu dem Thema einen einigermaßen informierten Standpunkt einnehmen zu können, zumindest für einen wissenschaftlichen Laien auf dem Gebiet.
Rein statistisch betrachtet vertritt ein Bundestagsabgeordneter ca. 130.000 Bürger. Mit allen direkt zu kommunizieren, ist von vornherein völlig ausgeschlossen. Nun möchte aber ein Politiker seine politische Einstellung vertreten, sprich: "eine Botschaft rüberbringen". Das geht nur, indem er sich der Mittel der politischen Massenkommunikation bedient. Das sind zunächst Plakate und Flyer, wie sie v. a. im Wahlkampf eine Rolle spielen. Ferner - und wichtiger - sind allerdings seine Beiträge in den allgemein rezipierten Massenmedien, also Zeitungen/Magazine, Radio und vor allem Fernsehen.
Leider folgen die Medien ihrer eigenen ökonomischen Logik, die - wie gesagt - vorrangig auf den Verkauf ihrer Produkte ausgerichtet ist. Die etablierte Politik reagiert(e) darauf, indem sie sich dieser Medienökonomie anpasste: Kurze, mediengerecht aufbereitete Häppchen; ab und an eine mehr oder weniger populistische Forderung, die sich gut eignet, als Schlagzeile abgebildet zu werden. Ich nenne das mal "Polit-Theater".
Große Teile der Bevölkerung haben dieses Polit-Theater satt, da sie es als eben das durchschauen, was es ist: Öffentlichkeitsheischendes Theater. Darauf hatten die Piraten reagiert. Sie wollten dieses Spiel nicht mitspielen. Es galt "Themen statt Köpfe!".
Leider hat das nicht funktioniert, zumindest nicht in diesem
Bundestagswahlkampf. Das ging so weit, dass ich mich im Wahlkampf mit dem Vorwurf auseinandersetzen musste, wir hätten zu unserem absoluten Kernthema, nämlich der überbordenden Überwachung durch die Geheimdienste, nichts gesagt. Wir seien schweigend geblieben. Das ist natürlich nicht richtig. Auf allen Ebenen und mit unglaublich vielen Pressemeldungen und Veranstaltungen haben die PIRATEN in ganz Deutschland versucht, ihre Meinung zu diesem Thema publik zu machen.
Die Resonanz war jedoch relativ gering. Wir haben es nicht geschafft, unsere Sicht in den Massenmedien zu verbreiten.
Wir fanden in den Medien keine Präsenz - von Ausnahmen, wie der Drohne, die in Dresden zu Füßen der Kanzlerin landete, einmal abgesehen.
Woran liegt das?
Nun, uns fehlen die Köpfe. Uns fehlen die Sympathieträger, die es schaffen, die Lehmschicht der Medien zu durchdringen.
Ich möchte nicht soweit gehen, die Schuld für Erfolg oder Misserfolg unserer Wahlkampagne auf den Schultern einzelner Personen abzuladen. Aber ich möchte immerhin feststellen, dass wir es versäumt haben, Sympathieträger in die Medien zu bringen und sie dort zu halten. Wir haben davon auch nur wenige. Bei näherer Betrachtung fallen mir tatsächlich nur drei ein: Marina Weisband natürlich; daneben Christopher Lauer. Und natürlich auch Katharina Nocun, die allerdings erst zu einem Zeitpunkt "wirksam" wurde, als der mediale Hype bereits abgeflaut war und die es deshalb ungleich schwerer hatte, mediale Präsenz zu finden.
Die drögen Statements von Bernd oder Sebastian, die ab und an Eingang in die Massenmedien fanden, zählen in diesem Zusammenhang kaum. Otto Normalbürger wird sich schon einen Tag später weder an den Inhalt noch an den Namen erinnert haben.
Ende der 70-er Jahre standen die Linksalternativen in Deutschland vor einem ähnlichen Problem, das sich sehr deutlich 1977 im Deutschen Herbst offenbart hatte: Es gab kein Medium, das bereit gewesen wäre, die (durchaus berechtigten) Anliegen dieser Interessengruppe bundesweit und im Gegensatz zum herrschenden Zeitgeist der "Terroristenhatz" offensiv zu vertreten. Als Reaktion darauf wurde die taz gegründet, die bis heute eines der unabhängigsten, überregionalen Publikationsorgane dieser Republik darstellt.
Sicher, wir leben nicht mehr in den 70-er oder 80-er Jahren und die Medienlandschaft hat sich gewaltig verändert. Trotzdem stelle ich fest: Uns - den Chaoten, der digitalen Gesellschaft, den digital Natives, den Piraten - uns fehlt ein Publikationsorgan mit überregionaler Wirkung. Wir können uns dabei nicht nur auf das Internet verlassen. Die Reichweite von Blogs wie netzpolitik.org, f!xmbr oder Fefe ist offensichtlich zu begrenzt. Wir brauchen ein Medium mit echter öffentlicher Reichweite auch außerhalb unserer Filterbubble.
Wie wäre es, wenn wir eine Internet-Zeitung gründeten, die bundesweit auch als Printausgabe verfügbar ist? Neue Zahlmodelle live ausprobieren? Mal beweisen, was wir - auch an der Front - können?
Ich wär dabei.
Ab und an höre ich daher aus den Reihen meiner PIRATEN harsche Kritik an der Presse, die uns "verschweige", zumindest nicht angemessen darstelle. Das mag einerseits daran liegen, dass die PIRATEN sich gerne wichtiger fühlen, als sie es - objektiv betrachtet - sind. Zum anderen fordern PIRATEN aber eine neutrale, objektive Berichterstattung als Ziel der Medien.
Das ist natürlich nicht so. Journalismus ist nicht per se "fair". Das anzunehmen (Presse als neutral-objektive "vierte Macht" im Staate) ist eine Idealvorstellung, die meiner Meinung nach in der journalistischen Praxis nur sehr selten zutrifft.
Rob hat das auf der sächsichen Mailingliste so formuliert:
"Medien sind nicht dazu da, irgend eine Piratenpartei zu pushen oder einem Startup beim Aufschwung zu helfen! Es sind Unternehmen, deren Arbeit darin besteht, dass interessierte Kunden ihre Produkte kaufen. Und wenn Du so ein Unternehmen zu führen hast, dann musst Du bei diesen Kunden ein Interesse wecken Deine Produkte zu kaufen."
Damit trifft er genau den Kern der Sache! Der Job von Journalisten besteht nicht darin, neutral oder objektiv zu berichten. Das ist - wie oben bereits gesagt - ein Ideal, das nur sehr selten erreicht wird. Der Job eines Journalisten ist es, für den Verkauf seines Produktes zu sorgen. Diesen Job erfüllen die meisten Journalisten auch recht gut, sonst wären sie bald arbeitslos.
Ich wage mal einen kurzen Ausflug in den Bereich "Politische
Massenkommunikation". Nadja Baberowski hatte mir vor einigen Monaten ein politikwissenschaftliches Lehrbuch dazu empfohlen: "Politische Kommunikation" von Markus Rhomberg. Ich habe die Abende in meinem Urlaub Anfang des Jahres dazu genutzt, es intensiv durchzuarbeiten. Und es ist eine wirklich empfehlenswerte Lektüre, wenn man das "System" verstehen will. Ergänzt durch die Lektüre einiger anderer Quellen, bilde ich mir ein, zu dem Thema einen einigermaßen informierten Standpunkt einnehmen zu können, zumindest für einen wissenschaftlichen Laien auf dem Gebiet.
Rein statistisch betrachtet vertritt ein Bundestagsabgeordneter ca. 130.000 Bürger. Mit allen direkt zu kommunizieren, ist von vornherein völlig ausgeschlossen. Nun möchte aber ein Politiker seine politische Einstellung vertreten, sprich: "eine Botschaft rüberbringen". Das geht nur, indem er sich der Mittel der politischen Massenkommunikation bedient. Das sind zunächst Plakate und Flyer, wie sie v. a. im Wahlkampf eine Rolle spielen. Ferner - und wichtiger - sind allerdings seine Beiträge in den allgemein rezipierten Massenmedien, also Zeitungen/Magazine, Radio und vor allem Fernsehen.
Leider folgen die Medien ihrer eigenen ökonomischen Logik, die - wie gesagt - vorrangig auf den Verkauf ihrer Produkte ausgerichtet ist. Die etablierte Politik reagiert(e) darauf, indem sie sich dieser Medienökonomie anpasste: Kurze, mediengerecht aufbereitete Häppchen; ab und an eine mehr oder weniger populistische Forderung, die sich gut eignet, als Schlagzeile abgebildet zu werden. Ich nenne das mal "Polit-Theater".
Große Teile der Bevölkerung haben dieses Polit-Theater satt, da sie es als eben das durchschauen, was es ist: Öffentlichkeitsheischendes Theater. Darauf hatten die Piraten reagiert. Sie wollten dieses Spiel nicht mitspielen. Es galt "Themen statt Köpfe!".
Leider hat das nicht funktioniert, zumindest nicht in diesem
Bundestagswahlkampf. Das ging so weit, dass ich mich im Wahlkampf mit dem Vorwurf auseinandersetzen musste, wir hätten zu unserem absoluten Kernthema, nämlich der überbordenden Überwachung durch die Geheimdienste, nichts gesagt. Wir seien schweigend geblieben. Das ist natürlich nicht richtig. Auf allen Ebenen und mit unglaublich vielen Pressemeldungen und Veranstaltungen haben die PIRATEN in ganz Deutschland versucht, ihre Meinung zu diesem Thema publik zu machen.
Die Resonanz war jedoch relativ gering. Wir haben es nicht geschafft, unsere Sicht in den Massenmedien zu verbreiten.
Wir fanden in den Medien keine Präsenz - von Ausnahmen, wie der Drohne, die in Dresden zu Füßen der Kanzlerin landete, einmal abgesehen.
Woran liegt das?
Nun, uns fehlen die Köpfe. Uns fehlen die Sympathieträger, die es schaffen, die Lehmschicht der Medien zu durchdringen.
Ich möchte nicht soweit gehen, die Schuld für Erfolg oder Misserfolg unserer Wahlkampagne auf den Schultern einzelner Personen abzuladen. Aber ich möchte immerhin feststellen, dass wir es versäumt haben, Sympathieträger in die Medien zu bringen und sie dort zu halten. Wir haben davon auch nur wenige. Bei näherer Betrachtung fallen mir tatsächlich nur drei ein: Marina Weisband natürlich; daneben Christopher Lauer. Und natürlich auch Katharina Nocun, die allerdings erst zu einem Zeitpunkt "wirksam" wurde, als der mediale Hype bereits abgeflaut war und die es deshalb ungleich schwerer hatte, mediale Präsenz zu finden.
Die drögen Statements von Bernd oder Sebastian, die ab und an Eingang in die Massenmedien fanden, zählen in diesem Zusammenhang kaum. Otto Normalbürger wird sich schon einen Tag später weder an den Inhalt noch an den Namen erinnert haben.
Ende der 70-er Jahre standen die Linksalternativen in Deutschland vor einem ähnlichen Problem, das sich sehr deutlich 1977 im Deutschen Herbst offenbart hatte: Es gab kein Medium, das bereit gewesen wäre, die (durchaus berechtigten) Anliegen dieser Interessengruppe bundesweit und im Gegensatz zum herrschenden Zeitgeist der "Terroristenhatz" offensiv zu vertreten. Als Reaktion darauf wurde die taz gegründet, die bis heute eines der unabhängigsten, überregionalen Publikationsorgane dieser Republik darstellt.
Sicher, wir leben nicht mehr in den 70-er oder 80-er Jahren und die Medienlandschaft hat sich gewaltig verändert. Trotzdem stelle ich fest: Uns - den Chaoten, der digitalen Gesellschaft, den digital Natives, den Piraten - uns fehlt ein Publikationsorgan mit überregionaler Wirkung. Wir können uns dabei nicht nur auf das Internet verlassen. Die Reichweite von Blogs wie netzpolitik.org, f!xmbr oder Fefe ist offensichtlich zu begrenzt. Wir brauchen ein Medium mit echter öffentlicher Reichweite auch außerhalb unserer Filterbubble.
Wie wäre es, wenn wir eine Internet-Zeitung gründeten, die bundesweit auch als Printausgabe verfügbar ist? Neue Zahlmodelle live ausprobieren? Mal beweisen, was wir - auch an der Front - können?
Ich wär dabei.
... link (1 Kommentar) ... comment
... older stories